Die Fackel, Volume 2, Issues 37-72

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Karl Kraus
Druck von M. Frisch, 1900
 

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Popular passages

Page 20 - Ausdruck in den Figuren der Griechen bei allen Leidenschaften eine große und gesetzte Seele. »Diese Seele schildert sich in dem Gesichte des Laokoons, und nicht in dem Gesichte allein, bei dem heftigsten Leiden. Der Schmerz, welcher sich in allen Muskeln und Sehnen des Körpers...
Page 12 - Von hier und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus, und ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewesen.
Page 20 - So wie die Tiefe des Meeres allezeit ruhig bleibt, die Oberfläche mag noch so wüten, ebenso zeigt der Ausdruck in den Figuren der Griechen bei allen Leidenschaften eine große und gesetzte Seele.
Page 20 - Der Schmerz des Körpers und die Größe der Seele sind durch den ganzen Bau der Figur mit gleicher Stärke ausgeteilet, und gleichsam abgewogen. Laokoon leidet, aber er leidet wie des Sophokles Philoktet: sein Elend gehet uns bis an die Seele; aber wir wünschten, wie dieser große Mann das Elend ertragen zu können.
Page 20 - Unterleibe beinahe selbst zu empfinden glaubt : dieser Schmerz, sage ich, äußert sich dennoch mit keiner Wut in dem Gesichte und in der ganzen Stellung. Er erhebt kein schreckliches Geschrei, wie Virgil von seinem Laokoon singt. Die Öffnung des Mundes gestattet es nicht; es ist vielmehr ein ängstliches und beklemmtes Seufzen...
Page 17 - Nichts ist widerwärtiger als die Majorität: denn sie besteht aus wenigen kräftigen Vorgängern, aus Schelmen, die sich akkomodieren, aus Schwachen, die sich assimilieren, und der Masse, die nachtrollt, ohne nur im mindesten zu wissen was sie will.
Page 20 - Körpers entdecket, und den man ganz allein, ohne das Gesicht und andere Teile zu betrachten, an dem schmerzlich eingezogenen Unterleibe beinahe selbst zu empfinden glaubt, dieser Schmerz, sage ich, äußert sich dennoch mit keiner Wut in dem Gesichte und in der ganzen Stellung.
Page 16 - Man wusste, dass er das Leben floh, dass sein Wesen der »gemeinen Deutlichkeit der Dinge« widerstrebe und dass auf dem Lehnstuhl vor seinem Schreibtische, ganz wie es Herr Bahr verlangt, »der Abglanz der Ewigkeit« ruhe. Man konnte ihn für seinen vornehmen Geschmack loben, der, in dem Studium aller Schönheitsepochen des menschlichen Geistes verloren, keine Schallwelle von dem eklen Gekreisch unseres Theaterthums an sich herankommen ließ.
Page 29 - ... die Bilderwelt der Einbildungskraft, und so entspringt eine vollständige Wirkung, von der wir uns keine Rechenschaft zu geben wissen; denn hier liegt eben der Grund von jener Täuschung, als begebe sich alles vor unsern Augen. Betrachtet man aber die Shakespeare'schen Stücke genau, so enthalten sie viel weniger sinnliche That als geistiges Wort. Er läßt geschehen, was sich leicht imaginiren läßt, ja was besser imaginirt als gesehen wird.
Page 30 - Shakespeare gesellt sich zum Weltgeist: er durchdringt die Welt wie jener; beiden ist nichts verborgen. Aber wenn des Weltgeists Geschäft ist, Geheimnisse vor, ja oft nach der Tat zu bewahren, so ist es der Sinn des Dichters, das Geheimnis zu verschwätzen und uns vor oder doch gewiß in der Tat zu Vertrauten zu machen.

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