Katharsis-Studien, Issue 1

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A. Hölder, 1883 - Greek drama (Tragedy). - 40 pages
 

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Page 28 - Zuschauers so erfolgen , dass, nachdem im Mitleid das eigne Selbst zum Selbst der ganzen Menschheit erweitert worden, es sich den furchtbar erhabenen Gesetzen des Alls und ihrer die Menschheit umfassenden unbegreiflichen Macht von Angesicht zu Angesicht gegenüberstelle, und sich von derjenigen Art der Furcht durchdringen lasse, welche als ekstatischer Schauder vor dem All zugleich in höchster und ungetrübter Weise hedonisch ist.
Page 28 - Ein dramatischer Dichter, der seine Bestimmung kennt, soll daher unablässig an seiner höheren Entwicklung arbeiten, damit die Wirkung, die von ihm auf das Volk ausgeht, eine wohltätige und edle sei.
Page 22 - Alles das, sagt er, ist uns fürchterlich, was, wenn es einem andern begegnet wäre, oder begegnen sollte, unser Mitleid erwecken würde: und alles das finden wir mitleidswürdig, was wir fürchten würden, wenn es uns selbst bevorstünde.
Page 13 - Döring sehr richtig, dass dadurch »die wahre Triebfeder des Mitleids« enthüllt werde. „Das Mitleid ist nämlich", fahre er fort, „nach Aristoteles nicht, wie wir es zu betrachten gewohnt sind, eine philanthropische Regung selbstloser Theilnahme an fremdem Leid, sondern es wurzelt in der Besorgnis eigenen Unheils". Doch füge er weniger richtig hinzu: „es ist eine verkappte Furcht, die sich nährt durch das Anschauen des Unheils, das über Fremde hereinbricht".
Page 27 - Politik (Z. 8) lehrt, so reichlich gegeben als die Wichtigkeit der Sache und die Fremdartigkeit des Terminus sie erforderten; und eben für Katharsis hat sie, schwerlich aus einem andern Grunde als weil sie so umfänglich und von rein philosophischen Erörterungen erfüllt waren, der um reine Philosophie wenig bekümmerte Excerptor, aus dessen Händen wir die jetzige Poetik mit Dank und mit Betrübniss empfangen.
Page 16 - Allein wie, wenn die Erklärung, welche Aristoteles von dem Mitleiden gibt, falsch wäre? Wie, wenn wir auch mit Übeln und Unglücksfällen Mitleid fühlen könnten, die wir für uns selbst auf keine Weise zu besorgen haben? Es ist wahr: es braucht unserer Furcht nicht, um Unlust über das physikalische* Übel eines Gegenstandes zu empfinden, den wir lieben.
Page 11 - ... Menander lautet: Dies ist das Leben, nicht für sich zu leben blos. Plato beruft sich im Gorgias auf den Satz eines frühern Weisen, nach dem Gemeinschaft und Liebe Himmel und Erde, sowie Götter und Menschen zusammenhalten. Es war eine echt Attische Gesinnung, welche Phokion in den Ausspruch kleidete, man dürfe ebensowenig das Mitleid aus der Natur des Menschen, wie den Altar aus dem Tempel herausreissen wollen.
Page 13 - Tragoedie erregte Furcht sei nur das trübe Gefühl von der allgemeinen Möglichkeit des Unglücks und der ungeschützten Lage unseres Glücksstandes...
Page 30 - Besonders getraue ich mir von der Tragödie, als über die uns die Zeit so ziemlich alles daraus gönnen wollen, unwidersprechlich zu beweisen, daß sie sich von der Richtschnur des Aristoteles keinen Schritt entfernen kann, ohne sich ebensoweit von ihrer Vollkommenheit zu entfernen.

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