Kritik europäischer Länder in Montesquieus 'Lettres Persanes'

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GRIN Verlag, Nov 21, 2007 - Literary Criticism - 23 pages
Studienarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Romanistik - Französisch - Literatur, Note: 1,0, Technische Universität Dresden (Institut für Romanistik), Veranstaltung: Montesquieu: Lettres Persanes, 21 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Als im Jahr 1721 ein anonymer Autor seinen Briefroman, die Persischen Briefe, in Amsterdam veröffentlichte, blickte Europa auf ein turbulentes Jahrzehnt zurück. Der spanische Erbfolgekrieg, ein Relikt der Jahrhundertwende, das noch in dieses Jahrzehnt zwischen 1710 und 1720 hineinwirkte, hatte die Machtstrukturen innerhalb Europas nachhaltig verschoben. Der Sukzessionsstreits blieb ungeklärt und sollte in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts von dem Krieg der Quadrupelallianz dominiert werden, einem Bündnis zwischen England, Frankreich, Österreich und den Niederlanden, das mit dem spanischen Königreich um die Vorherrschaft im Mittelmeerraum rang. Im Norden Europas hatten sich durch den nordischen Krieg die Machtverhältnisse zugunsten des russischen Reiches neu strukturiert, das als Großmacht aus diesem Krieg heraustreten sollte. Montesquieus Persische Briefe, die er zunächst anonym veröffentlicht hatte und mit welchen er kurze Zeit später sprunghaft berühmt werden sollte, nutzten das Mittel des Briefromans, um unzensiert das eigene Vaterland Frankreich kritisieren zu können, das unter dem späten Ludwig XIV. unter der Herrschaftsform des Absolutismus stand. Die Beurteilung Frankreichs durch das Prisma der fiktiven persischen Reisenden Usbek und Rica hinterleuchtet diese französische Gesellschaft, ihre Sitten, den hypokritischen Umgang französischer und europäischer Eliten mit der Religion und wirft eine Kritik an politischen und sozialen Missverhältnissen seinerzeit auf. Die Kritik an Europa und anderen europäischen Ländern sollte nicht weniger scharf ausfallen. Die Stimme dieser Betrachtungen verlieh Montesquieu meist den Kontaktpersonen Usbeks und Ricas in verschiedenen Ländern. Aus Venedig berichtet Rhédi seinem Freund Usbek, Ibben schreibt aus Izmir im osmanischen Reich und Nargum betrachtet das Zarenreich Moskaus als persischer Gesandter in Moskowien. Diese Arbeit soll Montesquieus Beschreibungen verschiedener europäischer Länder zu Anfang des 18. Jahrhunderts vor dem Hintergrund realpolitischer Machtkonstellationen, der entstehenden nationalen Identitäten und internationaler, geschichtlich gewachsener Animositäten analysieren. Allerdings soll hierbei die Textanalyse in Zusammenhang mit Montesquieus Idealvorstellung politischer Herrschaftsformen geschehen, die er später im Geist der Gesetze formulieren sollte und die in den persischen Briefen ihren geistigen Ursprung fanden. Die Kritik an den europäischen Ländern ist folglich auch immer nur als zweckdienliche Beurteilung dessen zu verstehen, was verschiedenartige, staatenspezifische Ausformungen möglicher Herrschaftsmechanismen sind. Die Kritik ist somit nicht nur Mittel zum Zweck, sondern vielmehr als eine literarische Erklärung der Staatsphilosophie von Montesquieu zu verstehen.

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