Ueber den Werth der Kritik: Erfahrungen und Bemerkungen

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E.J. Günther, 1873 - Criticism - 88 pages
 

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Popular passages

Page 65 - Gesichtspunkt, was einer als talentvoller Mann dichtet oder sonst leistet, wird verrückt, und man zieht diesen zum Vorteile der Welt und der Menschen besonders Begabten vor den allgemeinen Richterstuhl der Sittlichkeit, vor welchen ihn eigentlich nur seine Frau und Kinder, seine Hausgenossen, allenfalls Mitbürger und Obrigkeit zu fordern hätten.
Page 65 - Niemand gehört als sittlicher Mensch der Welt an. Diese schönen allgemeinen Forderungen mache jeder an sich selbst, was daran fehlt, berichtige er mit Gott und seinem Herzen, und von dem, was an ihm wahr und gut ist, überzeuge er seine Nächsten.
Page 45 - Städte verschlingen, rühren mich; mir untergräbt das Herz die verzehrende Kraft, die in dem All der Natur verborgen liegt, die nichts gebildet hat, das nicht seinen Nachbar, nicht sich selbst zerstörte. Und so taumle ich beängstigt! Himmel und Erde und ihre webenden Kräfte um mich her: ich sehe nichts als ein ewig verschlingendes, ewig wiederkäuendes Ungeheuer.
Page 65 - Welt an. Diese schönen allgemeinen Forderungen mache jeder an sich selbst; was daran fehlt, berichtige er mit Gott und seinem Herzen, und von dem, was an ihm wahr und gut ist, überzeuge er seine Nächsten. Hingegen als das, wozu ihn die Natur besonders gebildet, als Mann von Kraft, Tätigkeit, Geist und Talent gehört er der Welt.
Page 50 - Hier sitz ich, forme Menschen Nach meinem Bilde, Ein Geschlecht, das mir gleich sei, Zu leiden, zu weinen, Zu genießen und zu freuen sich Und dein nicht zu achten Wie ich!
Page 30 - Phantome oder ideale Phantasiegebilde bietet, erfüllt sie ihre sittliche Aufgabe nicht. Der Idealismus der Kunst darf nie an den Objekten...
Page 33 - Mit berauschendem Weihrauche hat er die Augen der Menschen umhüllt, er hat ihnen wunderlieblich geschmeichelt; indem er die Schattenseite des Lebens bedeckte und nur die Glanzpunkte enthüllte. Alles umringt ihn mit unendlichem Beifall und begleitet ihn zu seinem Triumphwagen. Er wird der große Weltpoet genannt, und wie der Adler in den Lüften erhebt er sich hoch über alle Geister der Welt.
Page 23 - Ausbruch eines überfüllten Schauspielhauses immer zehnmal interessanter, ja belehrender war als das zusammengeklügelte Urteil eines an Leib und Seele verkrüppelten, von dem Blut ausgesogener Autoren spinnenartig aufgeschwollenen literarischen Matadors...
Page 34 - ... unerbittlichen Grabstichel die ganze Tiefe kalter, zerstückelter Charaktere, von welchen unser irdischer, bitterer und langweiliger Lebensweg wimmelt, zu zeichnen und sie klar und deutlich vor die Augen des Volkes hinzustellen! Er hört nicht den Beifall der Menge. - Er entrinnt auch nicht dem strengen Gerichte seiner Zeitgenossen, dem heuchlerischen gefühllosen Gerichte, das die von ihm gepflegten Schöpfungen niedrig und nichtig nennt und ihm Herz und Gemüth und die göttliche Flamme des...
Page 30 - Theorie" Sacher-Masochs faßt diese Fusion in die Form einer zeitlichen Abfolge : „Je näher der Mensch der Natur steht, um so befangener ist er in seinen thierischen Trieben, seinen Leidenschaften, um so grausamer, wenn es dieselben zu befriedigen oder fremdes Glück zu zerstören gilt. Je weiter er sich durch die Kultur von der Natur entfernt, um so mehr wird seine Selbstsucht eingeschränkt, um so mildere Formen nimmt der ursprünglich wilde und blutige Kampf um das Dasein an."116 Nach seinem...

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