bd. Der heilige. Die versuchung des Pescara

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H. Haessel, 1924
 

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Page 22 - Viele Jahre lang, nachdem ich aus Engelland heimgekehrt war, hatte ich während des Tages in Gedanken und des Nachts im Traume mit jenen zwei unglücklichen Herren zu schaffen. Am Tage mußte ich mir die sanften, spitzfindigen Reden des einen, die leichtfertigen Scherze, harten Drohungen und verzweiflungsvollen Zornworte des ändern ohne Unterlaß wiederholen und war gezwungen, darüber nachzusinnen, wie unabwendbar beider Verderben sich daraus entwickelte.
Page 29 - Geist hatte, ließ es, nach den einmal überwundenen Anfängen, keine Rast noch Ruhe; denn, lieber Herr, in jeder, auch der geringsten Kunst ist ein Ziel der Vollendung verborgen, das uns ruft und lockt, ihm Tag und Nacht sehnsüchtig nachzuziehen. Oft hab...
Page 62 - Jetzt komme ich zu reden auf ein Geheimnis der Ungerechtigkeit, das zwar in keiner Chronik wird verzeichnet stehen, aber doch die Grabschaufel ist, die Herrn Thomas und Herrn Heinrich, einem nach dem andern, seine Grube gemacht hat.
Page 376 - Tugend. Da kann niemand helfen und retten, weder ein Mensch noch ein Gott. Wie wird verlorene Freiheit wiedergewonnen? Durch einen aus der Tiefe des Volkes kommenden Stoß und Sturm der sittlichen Kräfte. Ungefähr wie sie jetzt in Germanien den Glauben erobern mit den Flammen des Hasses und der Liebe.
Page 152 - Ein anderes ist es," fügte er, seines unwirschen Wortes sich sogleich bewußt, mildernd hinzu, „ob einer noch im Tagewerke und in der Zeit steht, oder ob der Tod sein Lcbensbuch geschlossen hat. Ist einmal das letzte Sandkorn verrollt, so tritt der Mensch aus der Reihe der Tage und Stunden hinaus und steht als ein fertiges und deutliches Wesen vor dem Gerichte Gottes und der Menschen.
Page 172 - Geld zur Unzeit. Gib dich, mein Herr und Gebieter, in meine Hände zurück, und ich trete dir diese käufliche Brandfackel aus! Auch auf die Rechte meines Stuhles werde ich einst verzichten, wann ich sie gebraucht haben werde, um in deinem Königreich jedem Raum und Recht und dir ein Volk zu schaffen. Denn nicht des Latiners Knecht bin ich, sondern ein Diener und Bruder des Nazareners.
Page 108 - Gib mich nie aus deiner Hand in die Hand eines Herrn, der mächtiger wäre als du ! - Denn in der Schmach meiner Sanftmut müßte ich ihm allerwege Gehorsam leisten und seine Befehle ausführen...
Page 259 - Er glaubt nur an die Macht und an die einzige Pflicht der großen Menschen, ihren vollen Wuchs zu erreichen mit den Mitteln und an den Aufgaben der Zeit.
Page 11 - Langsam fallend deckte der Schnee das blache Feld und die Dächer vereinzelter Höfe rechts und links von der Heerstraße, die aus den warmen Heilbädern an der Limmat nach der Reichsstadt Zürich führt. Dichter und dichter schwebten die Flocken, als wollten sie das bleiche Morgenlicht auslöschen und die Welt stille machen, Weg und Steg verhüllend und das wenige, was sich darauf bewegte.
Page 241 - Herzog starrte seinen außerordentlichen Kanzler mit aufgerissenen Augen an, während Guicciardin und der Venezianer langsam die Hand an die Stirn legten und zu sinnen begannen. Beide errieten sie als kluge Leute ohne Schwierigkeit, wie Morone es meinte. Sie waren die Söhne eines Iahrhunderts, wo jede Art von Verrat und Wortbruch zu den alltäglichen Dingen gehörte.

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