Literatur: oder, Man wird doch da sehn; magische operette in zwei teilen

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Verlag "Die Fackel", 1921 - Expressionism in literature - 79 pages
 

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Page 59 - Im Anfang war die Presse und dann erschien die Welt. Im eigenen Interesse hat sie sich uns gesellt. Nach unserer Vorbereitung sieht Gott, daß es gelingt, und so die Welt zur Zeitung er bringt. Die Welt war es zufrieden, die auf die Presse kam, weil schließlich doch hienieden Notiz man von ihr nahm. Auch was sich nicht ereignet, zu unserer Kenntnis dringt; wenns nur fürs Blatt geeignet — man bringt.
Page 5 - Ekstase (dennoch auch mit höchster schauspielerischer Lust) . . . .: Wer ist der, des Schmerz hier voll Emphase tönt? Am Morgen weckte mich ein Brief von Karl Kraus, in dem er mir mitteilt, daß er meine von einem Freunde (ohne mein Wissen) eingesandten Gedichte in der Fackel zu drucken beabsichtigt. Ein Jahr später sah ich Kraus von Angesicht zu Angesicht und erkannte alle Schauer dieses Lebens im Leib, in ihm jene Traumerscheinung. Verehrter Herr Herausgeber, Sie werden mit Recht fragen, was...
Page 5 - Ich will mit Kalauer und Pathos so trefflich jonglieren, daß jeder, der bei der einen Zeile konstatiert, ich sei ein spaßiger Denunziant und Fürzefänger, bei der nächsten zugeben muß, daß ich doch der leibhaftige Jesaja bin.
Page 5 - Ich habe gestern einige Seiten Philosophisches über Karl Kraus geschrieben. Ich sende es Ihnen nicht - es ist ohnmächtig! Ohnmächtig gegen das Ereignis, mit dem unerklärlich dieser Mann in mein Leben trat. Denn hinter allem Essayistischen, das ich über Karl Kraus schreiben könnte, stünde gebieterisch und unverrückbar die Stunde, die meinen Planeten an den seinen bindet.
Page 26 - Gott ich sag dir - der Brüller - ich flieg auf - ihn ta misch, no ist das ein Wunder, er ist doch dynamisch. Was hab ich von den andern, so blasiert und so kränklich, teils sind sie nachdenklich, teils sind sie bedenklich. Pervers sein ist schön, doch auf die Dauer zu fad, er allein, schau ihn an, hat den Willen zur Tat. Unter Stimmungsmenschen ist...
Page 5 - Fürzefänger, bei der nächsten zugeben muß, daß ich doch der leibhaftige Jesaja bin . . . Mein leider allzu abhängiger Charakter hat ein großes Talent auch zum akustischen Spiegel. Kurz und gut, weil ich zwar den Menschen aus den Augen, doch nicht in die Augen sehen kann, will ich ihnen lieber gleich in den Hintern schauen, ob dort ihr Ethos in Ordnung ist...
Page 26 - Brüller deutet durch seine Bewegungen an, daß er eigentlich ein Wiking ist, den ein Seeunglück in die Zeit und in dieses Milieu verschlagen hat, versteht es aber, in seinem Wesen das normannische Element glücklich mit dem amerikanischen zu verschmelzen. Jenes kommt durch seine Tracht (Radmantel und Ballonmütze) zum Ausdruck, dieses durch die kurzangebundene Art seines Auftretens, seinen Händedruck, unter dem sich der Reihe nach alle Anwesenden, die er begrüßt, in Schmerzen winden, sowie durch...
Page 20 - Kinder, ich wer' euch sagen, was ich glaub. Wie ihr da alle seids, seids ihr zusammen und jeder einzeln ganz dasselbe wert wie jeder einzeln, darum ist es möglich, daß jeder wird mit jedem leicht verwechselt; was einer hat, das kann auch jeder andre, drum kann er es von jedem ändern haben; denn nichts ist so gemeinsam wie das Nichts.
Page 5 - Ich will unter die Propheten gehn, natürlich unter die größeren Propheten! — Das Erste ist, ich gründe . . . eine Zeitschrift und nenne sie: Die Leuchte? Nein! Der Kerzenstumpf? Nein! Die Fackel! Ja! — Ah! Alle Größen der Weltliteratur jucken mir in den Fingern I Man soll meinen, Goethes plus Shakespeares Ingenium sei in der Natur eines östlichen Winkeladvokaten rei'nkarniert.
Page 5 - Recht fragen, was dieser Bericht über ein Erlebnis mit ihrer Frage zu tun hat! Ich habe gestern einige Seiten Philosophisches über Karl Kraus geschrieben. Ich sende es Ihnen nicht — es ist ohnmächtig! Ohnmächtig gegen das Ereignis, in dem unerklärlich dieser Mann in mein Leben trat.

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