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wichtige Band gleicher materieller Interessen der verbündeten Völker. Ein solches Land wird gerade in den Tagen der Bedrängniß fester. Es legt nicht nur der Krone PreuBen, sondern auch den Lenkern Oestreichs Rücksichten auf, die Preußens und des übrigen Deutschlands Regierungen gegen Ueberschreitungen von jener Seite her schüßen müssen.

Wir übergehen hier die unermeßlichen Vortheile, welche der preußischen Wehrkraft durch die Verbindung mit dem übrigen Deutschland zugehen müßten. Die östreichische Armee ist eine der schlagfertigsten und größten der Welt. In den Ländern des s. g. übrigen Deutschlands ist eine ungeheure Fülle von Wehrkräften, oder doch von Material enthalten, das sich zur Bildung einer Nationalarmee verwenden ließe; in ihnen liegt sogar der Stoff zu einer kriegstüchtigen Flotte. Das Montecuculische Erforderniß „Geld, Geld, Geld" findet sich gerade in diesen blühenden kleineren Staaten viel reichlicher, wie in den beiden großen. Durch die innige Verbindung mit dem übrigen Deutschland wird Preußen in den Stand geseßt, den Krieg von den eigenen Gauen fernzuhalten, seine Hauptstadt am Rhein und den Vogesen oder am Po zu vertheidigen und es nicht auf einen Kampf in der Mitte des eigenen Landes ankommen lassen zu müssen.

Wir bezeichnen es als ein wesentliches Fundamentalprincip jeden Systems,

daß Preußen unverzüglich und mit allen Mitteln zu einer innigen Allianz mit den übrigen deutschen Bun

desstaaten gelangt, sein politisches Thun und Lassen nach innen wie nach außen auf dieses Ziel einrichtet, unverbrüchlich und sogar mit Opfern daran fest hält und sich vor aller Welt zu diesem System klar bekennt.

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6.

,,Den Bedürfnissen der Gegenwart mag dieses Ziel ,,genügen aber reichen die Rechte und Pflichten der ,,Staatenlenker nicht weiter? Ist nicht zu befürchten, daß „bei einem einheitlichen Zusammengehn der deutschen „Staaten die politischen Kräfte Oestreichs und vielleicht „eines oder des andern Mittelstaates sich stärker entwickeln, ,,als die des Staates Preußen? Ist nicht zu besorgen, daß der „preußische Einfluß auf die schwächeren Staaten eine Ab„nahme, die Machtstellung Destreichs einen Zuwachs ,,erlangt?

„Wenn die schwachen Staaten doch nicht mehr den ,,Stürmen der Zeit gewachsen sein sollten wird dann ,,nicht Destreich, hat es einmal in Deutschland festen Fuß gefaßt, in die wichtige Erbschaft eintreten und Preußen „das Zusehn oder doch nur ein ärmliches Theil lassen? „Wo bleiben dann die Interessen des preußischen Staats ,,bei dieser deutschen Gefühlspolitik?"

Wir haben diese Säße schon hundertmal gehört und gelesen. Wir wissen, daß sie nicht nur in den Köpfen preußis

scher Staatsmänner, sondern auch vieler tausend Bürger in und außerhalb der preußischen Gränzen ihre Stätte ha ben. Es ist gewiß, daß sie sogar bei der s. g. Politik der freien Hand eine Hauptrolle spielen. Das kann uns nicht abhalten, sie als durchaus unerheblich zu bezeichnen und ihre völlige Unhaltbarkeit mit einigen Worten darzuthun.

Niemand soll leugnen, daß sich die politischen Plåne einer Regierung nicht blos auf die Lagen und Bedürfnisse des Moments beziehen dürfen. Bei der Leitung eines Staates muß man immer eingedenk sein, daß Nationen und Staaten nicht blos aus dem Geschlecht der Gegenwart be stehn, sondern auch aus den kommenden Generationen, daß mithin ein Thun und Lassen nicht gerecht ist, das nur immer auf die Wünsche und Bedürfnisse des lebenden Volkes sieht und diesen die Interessen des kommenden herzlos aufopfert. Niemand wird z. B. bestreiten, daß es geradezu sündhaft sein würde, eine unermeßliche Schuldenlast auf die Nach kommen zu häufen, damit die Gegenwart herrlich und in Freuden lebt. Es wäre nicht gerecht, einem Krieg um jeden Preis auszuweichen, das Wehrwesen des Landes verfallen zu lassen, um Kinder und Enkel dann dem vollen Elend eines schußlosen Zustandes und der Gefahr eines großen, allgemeinen Kriegs preiszugeben.

Eine weise Politik denkt auch an die Zukunft. Sie ver säumt nicht, den Samenkern auszulegen und zu pflegen, wenn auch der Baum erst nach langen Jahren sich zum mächtigen Stamm erhebt. So ist namentlich das Preußen

eingerichtet, das aus Steins und Hardenbergs Händen = seine Organisation erhielt. So handeln die jeßigen Lenker Neu-Oestreichs und scheuen die ungemeinen Opfer nicht, welche das lebende Geschlecht einer bessern Gestaltung der Zukunft zuwenden muß.

Aber weiter, wie zur Pflege und Hebung der vorhandenen Kräfte reichen die Verpflichtungen eines irðischen_Regenten nicht. Alle weitere Zukunftspolitik hat sich noch zu jeder Zeit als unfruchtbar und schädlich erwiesen, wenn sie bestimmte Erfolge bei ihren Speculationen in Aussicht nahm. Am kläglichsten hat sich die f. g. Vergrößerungspolitik gezeigt, die in dem Zuwachs von Land und Leuten das höchste Ziel ihrer Bestrebungen nach außen erblickt.

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Am allerwenigsten dürfen den Rücksichten der dunkeln Zukunftspolitik die klaren Intereffen der Gegenwart zum Opfer gebracht werden. Preußen hat zunächst dahin zu streben, daß es seine Kräfte nach innen und außen verstärkt. Das ist das erste und dringendste Bedürfniß. Alles Andre ist ein Streit um ungelegte Eier, um das Fell des Båren, der noch rustig im Gebirge streift. Es ist reiner Unverstand, aus Besorgniß, daß sich auch andre in dunkler Zukunft möglicherweise rivalisirende Kräfte durch ein Bündniß verstärken könnten, auf die Entwicklung der eigenen Kraft zu verzichten. Kein Staatsmann wird es mit dem Neidischen des Volksmährchens halten, der lieber einäugig bleiben, als durch seine Heilung auch dem einäugigen Nachbar zu zwei Augen verhelfen wollte.

Allerdings würden sich, wie recht und billig, durch eir enges politisch-wirthschaftliches Bündniß die Kräfte Dest reichs und der übrigen Staaten verstärken. Daß aber die preußische Volks- und Staatskraft zurückbleiben, jene Ver stärkung vielmehr zu einer Aufhebung des jeßigen Gleichge wichts der Machtverhältnisse führen müßte dafür spricht doch in der That auch nicht der mindeste Wahrscheinlich keitsgrund. Gerade, was den von Haus aus so tüchtigen preußischen Bevölkerungen fehlt, wirthschaftliche Kräftigung, Ausdehnung des Verkehrsgebietes, Steigerung des Unter nehmungsgeistes, würde ihnen die Zoll- und Handelseinheit in hohem Grade erleichtern.

Einem stärkeren Oestreich stände dann immer wieder ein stärkeres Preußen gegenüber.

7.

Der wunderbarste Scrupel von allen liegt aber in der Besorgniß, es könne durch ein nationales Zusammengehn der deutschen Staaten der Einfluß Preußens auf die schwä cheren Länder verlieren. Einer seltsameren Selbsttäuschung ist wohl nie ein preußischer Staatsmann verfallen.

Wir verweisen auf unsre früheren Betrachtungen und fragen: Wo ist wohl dermalen auch nur eine homöopathische Dosis preußischen Einflusses auf das Thun und Lassen der kleineren deutschen Staaten zu entdecken? Preußens Machtgebiet reicht so weit, wie sein Gränzpfahl reicht und keinen

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