Völkerpsychologie: eine Untersuchung der Entwicklungsgesetze von Sprache, Mythus und Sitte, Volume 3

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Popular passages

Page 78 - Anschauung weichen diese nur darin ab, daß sie zu jedem beliebigen einzelnen Objekt hinzunehmen, was zwar nicht in der gegenwärtigen, aber irgend einmal in einer früheren Wahrnehmung damit verbunden war. Will man hier die üblichen Bezeichnungen der verschiedenen Formen der Phantasie gebrauchen, so würde man also sagen können: das Kind besitzt eine sehr große und allezeit bereite reproduktive, aber es besitzt so gut wie gar keine kombinierende Phantasie. b. Überlieferte und frei erfundene...
Page 107 - Von Anfang an in ihren Mitteln wie in ihren Motiven sich scheidend, ergänzen sie eben darum einander, so daß von einer Ausbildung bloß der einen dieser Formen ebensowenig die Rede sein kann, wie etwa ein Mensch denkbar ist, der zwar der Empfindungen und Vorstellungen, nicht aber der Gemütsbewegungen fähig wäre. Beide Kunstformen gehören zusammen. Sie sind von Anfang an verbunden, gerade weil sie grundverschieden und darum aufeinander angewiesen sind.
Page 374 - Menschen und sage ihnen, wie ich sterbe und wieder lebendig werde, so sollt auch ihr sterben und wieder lebendig werden. Der Hase richtete aber die Botschaft verkehrt aus, indem er sagte: wie ich ') Boas, Zeitschr.
Page 108 - Beide gehören aber zusammen, wie schon in den Anfängen des Seelenlebens Sinnesempfindungen und Triebbewegungen zusammengehören, indem die Empfindung den Eindruck innerlich aufnimmt, die Bewegung die durch ihn erweckte Erregung wieder nach außen zurückgibt. Darum spiegelt die musische Kunst die mannigfachen Formen der Außenwelt im menschlichen Gemüt selbst in den natürlichen Ausdrucksbewegungen und ihren Weiterbildungen in Sprache, Gesang, Dichtung und Musik.
Page 332 - Manä, starren wir atemlos hinunter in die Ferne des Meers in der Tiefe. Wie unser Gemüt sinnet, rauschet von den hohen Toabäumen in den Ebenen des Inlands der mächtige Wind zu uns her, usw. Gewiß ist dieses Lied weit stimmungs- und gedankenreicher als die oben mitgeteilten Proben primitiver Poesie. Aber darin erinnert es doch immer noch an diese, daß es durchaus der künstlerischen Einheit ermangelt.
Page 108 - Anfang an verbunden, gerade weil sie grundverschieden und darum aufeinander angewiesen sind. Die bildende Kunst findet ihr Material vor: sie belebt und beseelt es umschaffend und nachbildend und wirkt dadurch wiederum belebend zurück auf die Seele des Schaffenden wie des Schauenden, indem sie in diesem die Gemütsbewegungen erregt, die von dem durch die Phantasie zu gesteigertem Leben erweckten Gegenstande ausgehen.
Page 74 - Beschauer eines Gegenstandes das eigene Selbst so in das Objekt hineinprojiziert, daß er sich mit diesem eins fühlt, „also nicht bloß den Gegenstand, indem er ihn belebt, zu einem andern macht, sondern auch sich selbst zum Objekt wird".
Page 367 - Indem die auffallenden physischen Unterschiede der Tiere, dann aber auch die ihrer Lebensgewohnheiten und ihrer Charaktere die Aufmerksamkeit fesselten, regten solche Unterschiede in besonderem Masse zu einer Art von freilich primitivem, aber doch relativ verständigem Nachdenken an, das der Tierfabel von dem Augenblick an, wo wir sie in ihren endgültigen Formen auftreten sehen, gegenüber dem Märchen den Charakter der Nüchternheit gibt. Damit zusammenhängend gestaltet sich dann auch durchweg...
Page 4 - Die letzte Quelle aller Mythenbildung, aller religiösen Gefühle und Vorstellungen ist die individuelle Phantasietätigkeit; jene Gebilde selbst aber besitzen durchaus den Charakter von Phantasieschöpfungen, die sich unter den Bedingungen des Zusammenlebens entwickelt haben. In dem Mythus verknüpft die Volksphantasie die Erlebnisse der Wirklichkeit. In der Religion schöpft sie aus dem Inhalt dieser Erlebnisse ihre Vorstellungen über Grund und Zweck des menschlichen Daseins...
Page 277 - Wie der Übergang des einfachen Grabhügels und des Wohnhauses in die von einem religiösen Kult umgebene Begräbnisstätte und in den Tempel der erste Schritt zur Entstehung eines idealen Stils gewesen ist, so bezeichnet jede bedeutsame Veränderung in dem religiösen Leben und Fühlen abermals einen Wendepunkt in der Entwicklung der Stilformen.

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