Page images
PDF
EPUB

Die Krankheit, die ältere Aerzte, wie Robert Whytt, Coindet, Mathey u. A. als Hydrocephalus acutus bezeichnet haben, ist in der Regel nichts als eine Meningitis. Die pathologische Anatomie hat das Verdienst, durch ihre Untersuchungen die Entzündung der Hirnhäute aufgeklärt und die Symptomen-Complexe der alten Aerzte, Encephalitis, Hydrops ventriculorum, Hydrocephalus acutus etc. auf Meningitis zurückgeführt zu haben.

Im Jahre 1827 beschreibt Guersant sen. diese Krankheit als Méningite granuleuse und von Papavoine rührt der Name Méningite tuberculeuse her. Gherard, Rufz, Piett, Senn, Constant u. A. haben dieselbe für das kindliche Alter beschrieben und Le Diberder auch für Erwachsene; ausserdem erschienen noch viele Abhandlungen über dieselbe. Besonders gute Arbeit über diesen Gegenstand lieferte Legendre und auch in den Werken über Kinderkrankheiten von Rilliet, Barthez und West ist die betreffende Krankheit genau beschrieben.

Trotzdem Dance, Abercrombie, Rufz durch die pathologische Anatomie belehrt, die allgemeine tuberculöse Natur der Meningitis hervorhoben, sahen doch viele berühmte Autoren die tuberculöse Hirnhautentzün

dung bei Kindern mit dem Anscheine einer blühenden Gesundheit nur für eine Ausnahme an. Rilliet und Barthez dagegen halten diese Fälle für die gewöhnlichsten und Legendre theilt die tuberkulöse Meningitis in dieser Hinsicht in zwei Formen:

1) Hirnhautentzündung bei dem Anscheine nach gesunden und

2) bei pthisischen Kindern.

Die erste und häufigste Form zeichnet sich durch vollkommene Regelmässigkeit in ihren Erscheinungen aus und gibt das erste Zeichen einer verborgenen allgemeinen Tuberkelbildung, während die zweite Form viel Unregelmässigkeit in Bezug auf Anfang, Verlauf und Dauer der Symptome hat und oft nur bei der Gewissheit einer vorgeschrittenen allgemeinen Tuberkulose vermuthet werden kann.

Dass diese Krankheit wirklich mit allgemeiner Tuberculose verbunden ist, beweisen die Sectionen der daran verstorbenen Kinder. Guersant nimmt das gleichzeitige Vorkommen von Tuberkeln in andern Organen als sehr häufig an; Piett hat sie unter 78 an Hirnund Hirnhautentzündung verstorbener Kinder 63mal angetroffen. Ebenso ist der Bericht von Barrier, Rilliet und Barthez. Legendre hat ein Verzeichniss von 28 Fällen aufgestellt, in welchem er angibt, wie oft gleichzeitig andere Organen von Tuberkelbildung ergriffen waren, worunter es die Lunge allein ausser andern Organen 27mal war.

Unter Meningitis verstehe ich eine Entzündung der Pia mater, obwohl auch oft das Gehirn daran Theil nimmt und deshalb Meningo-Encephalitis genannt werden könnte, da die Pia mater der häufigste Sitz der Fntzündung ist. Wir haben zwei Formen davon.

Das Produkt der ersten Form ist nach Rokitansky im Allgemeinen ein gelbes, gelbgrünliches, faserstoffiges, eiteriges Exsudat im Gewebe der Pia mater. Je nach Umständen ist das Produkt nur an einzelnen Stellen der Pia mater ergossen, bald als ein von einer grossen Menge Serum diluirter, faserstoffiger, graugelblicher oder grünschillernder Erguss in die Pia mater gleichförmig infiltrirt oder es ist, arm an Serum als reiner Faserstoffeiter in grosser Menge in der Pia mater vorhanden. In letzterem Falle ist die weiche Hirnhaut besonders verdickt und leicht vom Gehirn abzuziehen. Dieses Produkt hat seinen Sitz auf der Ausbreitung der Pia mater über der Convexität der Hemisphären. Von da dehnt es sich, an Intensität abnehmend, gegen die Gehirnbasis hinab. Das Gehirn ist dabei gewöhnlich mit Ausnahme der Gehirnrinde indifferent. Diese Form kommt bei jugendlichen kräftigen, nicht tuberculos dyskrasischen Individuen vor und hat selten Hydrocephalus acutus oder Magenerweichung zur Folge.

Das Produkt der zweiten Form besteht meist zum Theil aus einer graulichen, bisweilen ins gelbliche, matt grünliche schillernden, albuminös-serösen, citrig-serösen Flüssigkeit. Das faserstoffige Exsudat erscheint häufig in Form von granulirten, knotigen, tuberkulisirenden Gerinnungen. Der Sitz dieser Entzündung ist fast ausschliesslich die Gehirnbasis. Zwischen Pia mater und Arachnoidea innerhalb des beiderseitigen Hilus cerebri vom Chiasma opticum bis zum Pons und über diesen an die Medulla oblongata ist das Produkt angehäuft. Das faserstoffige tuberkulisirende Produkt ist oft von dem erstgenannten Exsudat eingehüllt und begleitet die art. und ven. Fossae Sylvii und Corporis callosi.

Diese Entzündung befällt vorzugsweise jugendliche und mit Tuberculose behaftete Individuen.

Die beiden Formen von Entzündung der Pia mater sind durchaus von einander verschieden. Erstere hat nur den Namen Meningitis simplex und die zweite Meningitis granulosa s. tuberculosa, welch Letztere den Gegenstand meiner Ahhandlung bildet.

Dabei werde ich die schon oben erwähnte Eintheilung Legendre's beibehalten, da sie mir in practischer Hinsicht von Wichtigkeit scheint.

Meningitis tuberculosa ist eine der gefürchtetsten Kinderkrankheit und eine nahezu unheilbare.

Der anatomische Befund ist gewöhnlich derart, dass die Hüllen des Gehirns stark gespannt erscheinen, die Arachnoidea an der Oberffäche der Hemisphären trocken, glatt und etwas glänzend aussieht und die grösseren Gefässe blutleer erscheinen.

Beim Herausschneiden des Gehirns ergiesst sich eine Menge seröser, sehr selten molkig oder eitrig trüber Flüssigkeit, deren sich dann in 'den dilatirten Ventrikeln noch mehr vorfindet. Die Pia mater der Convexität der Hemisphären zeigt sich in dem Masse mehr hyperämisch, als die erwähnte Flüssigkeits-Ansammlung in den Ventrikeln ausnahmsweise fehlte oder gering war. Häufig findet sich die Hirnsubstanz in der Umgebung der Ventrikel- Wandungen im Zustand weisser Erweichung oder doch stark serös durchdränkt, das Ependyma sehr weich und zerreisslich.

Die wesentlichsten Veränderungen bietet jedoch die Hirnbasis und zwar am meisten die Umgebung des Chiasma und die Strecke von da bis zum pons, dann die Fossa Sylvii. Am reichlichsten an diesen Stellen findet sich in die Maschen der pia ein graugelbes, gallertarti

ges oder mehr faserstoff-citerähnliches Exsudat eingelagert. Theils zwischen diesen Massen, theils an entfernten Stellen an der Rückseite der intensiv hyperämischen pia finden sich dann die charakteristischen grauen oder graugelben miliären Knötchen bald vereinzelt, bald massenhaft zusammengehäuft. Je nach der Verschiedenheit der Processe kann entweder Hyperämie und sulziges Exsudat sehr wenig vertreten sein oder die Tuberkeln fehlen; am häufigsten kommen jedoch beide mit einander vor.

Als anderweitige Veränderungen in der Schädelhöhle sind zu erwähnen :

Häufig zugleich vorkommende Hirntuberkel, zu welchen erst terminal die Meningitis hinzutrat, grössere gelbe Anhäufungen von tuberkulöser. Masse in der Pia in Form von Platten, kleinere oder grössere Hämorrhagien der Corticalis und der Hirnhäute. Neben den frischen Processen finden sich nur sehr selten. verkreidete miliare Knötchen. In den übrigen Organen trifft man bald eine verbreitete, besonders auf den serösen Häuten reichlich entwichelte Miliartuberculose, bald nur einzelne gelbe Knoten in den Lungen, Bronchialdrüsen und anderen Stellen.

Aetiologie.

Da aus Gesagtem hervorgeht, dass die Meningitis mit der Tuberculose anderer Organe innig verbunden ist, so wird auch die tuberculöse Dyskrasie von den meisten Schriftstellern als das wichtigste, ursächlichste Moment der in Rede stehenden Krankheit angesehen. Bei der ersten Form, die bei Kindern mit einer anscheinend guten, ja blühenden Gesundheit auftritt, lässt sich oft

« PreviousContinue »