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Die Wirkung aber welche die Schönheit auf den Beschauer hervorbringt, ist überall die, dass sie Lust und Liebe erregt. „Alles Schöne, sei es der Farben oder der Gestalten oder der Töne, erregt seiner Natur nach, als ihm inwohnend und eingeboren, eine angenehme Befriedigung und eine ganz von Schmerz freie Lust 659; und anderswo: „der Vorzug ist allein der Schönheit zu Theil geworden, dass sie vor allem hervorleuchtend und liebeerregend sei 660, und durch die Augen in die Seele eindringend 661: so dass man sie, wie das Sprichwort sagt, zweimal und dreimal betrachtet, und sich nicht satt sehen kann an ihr 662; wie denn auch die Schönen selbst ein natürliches Verlangen haben, als solche erkannt und abgebildet zu werden❝663

Damit verbindet Platon dann noch die vielbesprochene Lehre von der Praeexistenz der Seelen in der Ideenwelt: jede menschliche Seele habe als Seele, vor ihrer irdischen Geburt, als sie noch im Gefolge der

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660 Phaedrus p. 48, 14. Lysis p. 133, 10. Vergl. Xenophon Conviv. 1, 8: die Schönheit sei ihrer Natur nach etwas königliches (qvou Barikixór) und ziehe sogleich aller Blicke auf sich. Dion Chrysost. Orat. 29 p. 539. Favorinus bei Stobaeus Flor. 65, 8. 9: wer etwas Schönes schaut, den macht es froh und heiter; die Schönheit macht jeden der sie empfindet zu ihrem Freunde. 661 Phaedrus p. 57, 18. Vergl. Aeschylus Prom. 655. Ag. 714 f. Suppl. 973 ff. Maximus Tyrius 25, 2: ὁδοὶ γὰρ κάλλους οἱ

ὀφθαλμοί.

662 Gorgias p. 114, 3. Philebus p. 237, 11. De Legg. VI p. 418, 20. XII p. 309, 16 f. Ein Ausspruch des Empedokles 164 St. 446 K.

663 Menon p. 346, 18 ff.

Gottheit war, die göttlichen Ideen des Guten Schönen Wahren, welche die ewige Wesenheit der zeitlichen Dinge sind, von Angesicht zu Angesicht geschaut 664. Und diese göttliche Schönheit, welche die menschlichen Seelen damals geschaut, war eine ganz glanzvolle (κάλλος δὲ τότ ̓ ἦν λαμπρόν)665, und da sie selbst, die Seelen, noch rein und unversehrt waren, so schauten sie auch die göttliche Schönheit in reinem Glanze (ἐν αὐγῇ καθαρᾷ, καθαροὶ ὄντες) 666 Wenn darum die Menschen hier in der Fremde, auf Erden, etwas Schönes sehen, und den Ausfluss desselben (τοῦ κάλλους τὴν ἀπορροήν) durch die Augen in sich aufnehmen, so wird ihnen warm im Herzen 667 und sie werden wie von einer plözlichen Erinnerung ergriffen an ihre ursprüngliche Heimath, und die wahre göttliche Schönheit welche sie dort einst geschaut haben, und gerathen dann in heftige Bewegung, und sind ihrer selbst nicht mehr mächtig (¿Kπλήττονται καὶ οὐκές ̓ αὐτῶν γίγνονται); denn jede irdische Schönheit ist nur ein Abbild (óuoioua) der göttlichen Schönheit 668.

Aristoteles hat, wie von ihm nicht anders zu erwarten, die Theorie der Schönheit wenig gefördert, er hat kaum einen neuen Gedanken darüber ausgesprochen, sondern sich darauf beschränkt aus den vorgefundenen, die er scharf praecisirt, eine kleine Consequenz zu ziehen. Das Schöne, bemerkt er,

664 Phaedrus p. 42, 10 f. 47, 1: πᾶσα ἀνθρώπου ψυχὴ φύσει τεθέαται τὰ ὄντα, τὴν οὐσίαν ὄντως οὖσαν.

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ist wie ja auch die Theologen behaupten, zugleich mit der Natur des Seienden (dem Wahren) und dem Guten an das Licht des Lebens gekommen; seine Hauptelemente sind Ordnung und Begrenztheit; das Schöne besteht in einer gewissen (wolabgemessenen, nicht maaslosen) Menge und Grösse, und in der richtigen Anordnung und dem Ebenmaas der Glieder: weshalb auch weder ein sehr kleines, noch ein sehr grosses Thier schön sein kann; auch die kleinen Menschen sind ja nur hübsch und proportionirt, schön aber nicht❝669. Die Thatsache dass das Schöne Liebe errege, schien ihm so natürlich, dass als ihn einst einer fragte, warum man denn die Schönen und ihren Umgang liebe? er diesem erwiederte, das sei die Frage eines Blinden 670. In den nächsten Jahrhunderten nach Aristoteles begnügte man sich in der Regel damit, seine Definitionen zu wiederholen; höchstens dass zuweilen ein pythagorisches oder platonisches Wort mitunterlief, wie bei Plutarchus wenn er sagt: ,in jedem schönen Werke vollende sich das Schöne dadurch, dass gleichsam viele Zahlen in einem Verhält

669 Aristoteles Topica III, 1 p. 116, B, 21: τò xalhos tov μɛlar

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τις συμμετρία δοκεῖ εἶναι. Met. XIII, 3, 17 p. 1078, A. B:

τοῦ δὲ καλοῦ μέγιστα εἴδη τάξις καὶ συμμετρία καὶ τὸ ὡρισ μένον. XIV, 4, 4: προελθούσης τῆς τῶν ὄντων φύσεως καὶ τὸ ἀγαθὸν καὶ τὸ καλὸν ἐμφαίνεσθαι. Eth. Nic. IV, 7 p. 1123, Β, 7: τὸ κάλλος ἐν μεγάλῳ σώματι, οἱ μικροὶ δ ̓ ἀστεῖοι καὶ σύμμετροι, καλοὶ δὲ οὔ. Polit. VII, 4, 5 p. 1326, 4, 33: ἐπεὶ τό γε καλὸν ἐν πλήθει καὶ μεγέθει εἴωθε γίνεσθαι. Poet. 7, 8. 9 P. 1450, Β, 37 : τὸ γὰρ καλλὸν ἐν μεγέθει καὶ τάξει ἐστί, διὸ οὔτε πάμμικρον ἄν τι γένοιτο καλὸν ζῷον, οὔτε παμμέγεθες. 670 Diogenes L. V, 20. Stobaeus Flor. 65, 14.

nisse zusainmentreffen, unter einer gewissen Symmetrie und Harmonie 671.

Der einzige unter den Alten, der nach Platon und in dessen Geiste eine zusammenhängende Theorie der Idee des Schönen lichtvoll entwickelt und dargestellt hat, ist der Neuplatoniker Plotinus (um 250 nach Chr.). Seine Lehre ist wörtlich folgende: „unter dem Schönen, sagt er, versteht man zwar gewöhnlich etwas durch das Gesicht oder durch das Gehör Wahrgenommenes; aber auch Geistiges ist schön, wir sprechen von schönen Einrichtungen, Handlungen, Beschaffenheiten, Erkenntnissen, auch eine Schönheit der Tugend gibt es. Wodurch nun ist dies alles

schön? ist das Schöne in allen diesen verschiedenen Dingen eines und dasselbe, oder ist die Schönheit des Körperlichen und die Schönheit des Geistigen eine verschiedene? Insofern allerdings, als der Körper nicht an sich schön ist, sondern nur theilhat an der Schönheit. Was aber ist es nun, an welchem der Körper theilhaben muss, damit wir ihn schön nennen? Was ist es das uns so anzieht und erfreut bei der körperlichen Schönheit? Fast alle sagen, das Ebenmaas der Theile unter sich und mit dem Ganzen, und die schöne Farbe bewirke die sinnliche Schönheit (ως συμμετρία τῶν μερῶν πρὸς ἄλληλα καὶ πρὸς τὸ ὅλον, τό τε τῆς εὐχροίας προςτεθὲν τὸ πρὸς τὴν ὄψιν κάλλος ποιεί), das Schöne bestehe überhaupt in dem Ebenmäsigsein und Hellglänzenden. Hienach aber wäre nichts Einfaches, sondern nur das Zusam

671 Plutarchus Mor. p. 45, C. 66, D.

mengesezte schön, denn nur dieses hat ja Theile. Nach dieser Lehre würde das Licht der Sonne, der Blitz in der Nacht nicht schön sein, weil es einfache Dinge sind 672. Wenn nun aber das Symmetrische nicht das Schöne ist, was ist dann an dem Körper schön? Ich glaube, etwas gleich beim ersten Anblick Wahrgenommenes, welches die Seele als ein ihr verwandtes begrüsst und liebt, während sie sich von dem Hässlichen mit Abscheu abwendet. Die Seele nemlich gehört zur besseren Natur der Dinge. Wenn sie nun etwas ihr verwandtes oder eine Spur desselben erblickt (ὅ τι ἂν ἴδῃ συγγενὲς ἢ ἴχνος τοῦ ovyyɛvous), so freut sie sich, und ist in heftiger Bewegung, und bezieht es auf sich selbst zurück, und erinnert sich ihrer selbst und des Ihrigen. Nur dadurch dass es theilhat an der überirdischen göttlichen Schönheit ist das Irdische Menschliche schön (ovtw μὲν δὴ τὸ καλὸν σῶμα γίγνεται λόγου ἀπὸ θείου έλJóvτo; Kowovia) 673. Der Gedanke ist wie oben bei Platon 674, das menschlich Schöne werde nur dadurch schön, dass die göttliche Schönheit (der göttliche Logos im Sinne der Heraklitischen Logoslehre) in ihm gegenwärtig sei 675. Unsere Seele ist es, welche die ihr selbst inwohnende Idee mit der Idee der Dinge welche sie schaut, zusammenhält, und wenn deren Idee mit der ihrigen übereinstimmt, sie für schön erklärt. Die

672 Plotinus I, 6, 1.

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675 Vergl. Plotinus V, 9, 2. und Juncus bei Stobaeus Flor. 115, 26 p. 371: τὸ ἀληθὲς κάλλος ἐκ θείας κοινωνίας ἔσχε τὴν ἀποῤῥον καὶ ἦλθεν ἐπί τινας.

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