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Punkte ein Einverständniß aller Faktoren der Geseßgebung vorausgesezt werden. Demnach erscheint es sowohl bei den Kreiswie bei den Provinzialabgaben als eine Aufgabe des die Veranlagung bewirkenden Organes, in allen Fällen, wo eine Herabsezung der Staatssteuer in Folge von Reklamationen 2c. nachgewiesen wird, auch eine entsprechende Ermäßigung der Abgaben ohne Rücksicht auf den etwa eingetretenen Ablauf der Reklamationsfrist anzuordnen. Auf diese Weise wird denn auch die Gleichförmigkeit für alle Betheiligten hergestellt und damit das einzige Bedenken beseitigt, welches der Beklagte und der Vorderrichter erhoben haben.

Hiernach mußte die Vorentscheidung dem Antrage des Klägers entsprechend abgeändert werden.

Nr. 3.

Auseinandersehung beim Ausscheiden einer großen Stadt aus dem Kreisverbande, insbesondere in Beziehung auf das sog. Ständehaus, auf anderes gemeinsames Aktivvermögen und auf eine KreisSparkasse.

Kreisordnung vom 13. Dezember 1872 §. 4.

Endurtheil des II. Senats vom 28. Juni 1883.

I. Bezirksverwaltungsgericht zu Erfurt.

Auf den Antrag der Stadt N. wurde dieselbe von dem Minister des Innern unter dem 10. März 1882 auf Grund des §. 4 der Kreisordnung vom 13. Dezember 1872 mit dem 1. April 1882 aus dem Verbande des Kreises N. für ausgeschieden er klärt, nachdem wegen der Auseinanderseßung der Bezirksrath am 30. November 1881 Beschluß gefaßt hatte. Insbesondere wurde durch diesen Beschluß der Zeitpunkt, mit welchem die Auseinandersegung in Kraft treten sollte, auf den 31. März 1882 festgesett

und hierbei verblieb es auch, während in anderen Punkten der Landkreis demnächst klagend das Bezirksverwaltungsgericht und gegen dessen Entscheidung vom 13. Januar 1883 weiter das Oberverwaltungsgericht anrief.

Als Gegenstände der Auseinanderseßung kamen u. A. in Frage:

I. zunächst als Aktiva 84 000 M in Eisenbahn-PrioritätsObligationen und der Bestand der Kreis-Kommunalkasse, welcher legerer freilich schon bis zum 31. März 1882 sich in ein Defizit, nämlich in einen von der Kreis-Sparkasse gewährten Vorschuß von 2 773 M., verwandelte. Die Entstehung des ersteren Kapitales hing zusammen mit der Erstattung, welche das Reich für diejenigen Unterstüßungen bewilligt hatte, die im Kriege 1870/71 vom Kreise den Familien eingezogener Reservisten und Landwehrleute gewährt und zu denen die Mittel im Wege der Besteuerung aufgebracht worden waren.

In Ansehung dieser beiden Objekte bestimmte der Bezirksrath eine Theilung zwischen dem künftigen Stadt und dem künftigen Landkreise nach dem Verhältnisse von 19 zu 14 d. i nach demjenigen Maßstabe, in welchem die Angehörigen der in der Auseinanderseßung begriffenen beiden Kreistheile im Durchschnitte der drei lezten Jahre zu den Bedürfnissen des Gesammtkreises beigetragen hatten und im Wesentlichen ebenso erkannte das Bezirksverwaltungsgericht, während der Landkreis in erster Reihe die Aktiva ausschließlich für sich in Anspruch genommen hatte, event. wenigstens ein dem richterlichen Ermessen überlassens — billigeres Verhältniß festgeseßt wissen wollte. Des Näheren wurden die entsprechenden Anträge in der Berufungsschrift, wie folgt begründet:

Mitglieder des Kreises seien die Städte, Dörfer und selbstständigen Gutsbezirke; wenn nun eine Stadt aus dem Kreise auf Grund des §. 4 der Kreisordnung ausscheide, so sei das ein freiwilliges Ausscheiden eines Mitgliedes aus der Kreiskorporation, wodurch die Existenz der letteren als juristischer Person nicht in Frage gestellt werde. Dementsprechend sei in der Kreisordnung von einer Auflösung des alten Kreises nicht die Rede und werde

denn auch in dem Ministerialerlasse vom 23. Dezember 1876 angeordnet, daß der Kreisausschuß nur durch Neuwahlen zu ergänzen, nicht aber neuzubilden sei. Nach Tit. 6 Th. II. des A. L.-R. finde aber bei freiwilligem Ausscheiden eines Mitgliedes keine Vertheilung des Vermögens einer juristischen Person statt. Wenn troßdem der §. 4 der Kreisordnung eine Auseinanderseßung darüber vorschreibe,

welchen Antheil die ausscheidende Stadt an dem gemeinsamen Aktiv- und Passivvermögen des bisherigen Kreises, sowie etwa an fortdauernden Leistungen zu gemeinsamen Zwecken der beiden neuen Kreise zu übernehmen habe, so passe der Ausdruck:,,die beiden neuen Kreise" mehr zu der äußeren, thatsächlichen Lage, als zu der juristischen Konstruktion, wie sie sich aus den Ueberschriften zum §. 3 und zum §. 4 klar ergebe. Es werde nur ein neuer Kreis der Stadtkreis gebildet. Sodann verordne das Gesetz auch nichts über die anzuwendenden Theilungsgrundsäße; eine solche Lücke könne nicht, wie man versucht habe, durch die Motive ergänzt werden; sie sei vielmehr nach Maßgabe der Bestimmungen des Allgemeinen Landrechts auszufüllen. Eine etwaige, entgegengesetzte Absicht des Geseggebers würde wegen Mangels an einer positiven Vorschrift nicht erreichbar sein. Sie sei aber auch nicht anzunehmen, da selbst Städten unter 25 000 Einwohnern das Ausscheiden gestattet werden könne und daraus unannehmbare Konsequenzen für den Bestand der Kreise hervorgehen müßten.

Eventuell entspreche die geschehene Vertheilung keineswegs der Billigkeit. Den mechanischen Maßstab der Steueraufbringung in den lezten drei Jahren könne der Gesetzgeber nicht gewollt haben; er hätte ihn sonst einfach vorschreiben können. Nun möge es schwierig sein, einen angemessenen Maßstab zu finden; man müsse sich aber bemühen, der konkreten Sachlage gerecht zu werden. Dabei komme vor Allem die künftige Gestaltung der Etats für den alten und den neuen Kurs in Betracht. Die Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Restkreises erheische besondere Berücksichtigung; die ausscheidende Stadt werde regelmäßig finanzielle Vortheile haben und das treffe zugestandenermaßen auch hier zu; der Rest

kreis dagegen habe seinen Steuersaß von 12 auf 24 Prozent erhöhen müssen und werde durch die ergangene Entscheidung noch zu stärkeren Erhöhungen gezwungen werden, was in der That unbillig erscheine. Andererseits liege kein Grund vor, der Stadt N. noch eine besondere Prämie zuzuwenden; fie gewinne ohnehin schon genug.

II. Im Jahre 1866 war ein Kreisständehaus erbaut und im Jahre 1874 für dasselbe noch ein Garten zugekauft worden. Die dazu aufgenommenen Darlehnsschulden betrugen am 31. März 1882 noch 58 000 M. Zu Buche stand die Besizung mit 154 743 M; ihr derzeitiger thatsächlicher Werth erreichte indeß diesen Betrag bei Weitem nicht.

Auch dieses Objekt hatte der Kläger für sich allein in Anspruch genommen, ohne seinerseits dem künftigen Stadtkreise, wie dieser verlangte, einen Werthantheil als Abfindung herauszahlen zu wollen. Dafür waren insbesondere die Bestimmung des Gebäudes und die geringe Einträglichkeit desselben von ihm geltend gemacht worden.

Der Bezirksrath hatte in Ansehung des Ständehauses Bestimmung dahin getroffen, daß zwar dasselbe nebst Zubehör zum vollen und uneingeschränkten Eigenthum dem Landkreise zu überweisen sei, dieser jedoch 19/33 des mittelst Abschäßung Seitens Sachverständiger zu ermittelnden Werthes - nach Abzug der für Grunderwerb und Bauausführung aufgenommenen, am 31. März 1882 noch 58 000 M betragenden Anleihe dem Stadtkreise herauszuzahlen, denselben auch von der Verbindlichkeit aus der Anleihe zu befreien habe. In ähnlichem Sinne entschied das Bezirksverwaltungsgericht, indem es insbesondere gegenüber dem Anspruche des Stadtkreises auf jene Herauszahlung erwog: Wie der Ursprung des Aktiv- und Passivvermögens nach dem Endurtheile des Oberverwaltungsgerichts vom 25. November 1880 (Entsch. des Oberverwaltungsgerichts Bd. VII. S. 73) für die Frage des Hineinziehens in die Auseinanderseßung an sich bedeutungslos sein solle, so müsse ein Gleiches auch von der Bestimmung eines Gebäudes gelten. Nur darauf, ob dasselbe wirkliches Vermögen der Kreiskorporation bilde, komme es an. Diese

Frage sei hier unbedenklich zu bejahen. Bei dem Ständehause trete das Eigenthumsverhältniß nicht etwa, wie bei Chausseen, hinter der Unterhaltungspflicht zurück; der Besiß würde an sich ein Gegenstand des Verkaufs sein können (Entsch. des Oberverwaltungsgerichts Bd. II. S. 19). Der Kläger verkenne, daß er nicht der alleinige Rechtsnachfolger des alten Kreises sei, für dessen Bedürfnisse, als dessen Eigenthum und aus dessen Mitteln das Haus 1866 erbaut und 1874 erweitert worden sei.

Hiergegen machte in der Berufungsinstanz der Kläger geltend, er müsse, wenn es bei dieser Entscheidung verbleibe, entweder zur Bezahlung des der Stadt zufallenden Antheils eine Anleihe aufnehmen oder das Haus verkaufen. Einen nußbaren Werth stelle dasselbe überhaupt nicht dar; es sei erbaut worden, weil das Landrathsamt und die Kreis-Sparkasse innerhalb 14 Jahre dreimal die Miethsräume hätte wechseln müssen, und bei Einrichtung der Wohnräume habe man wesentlich Rücksicht darauf genommen, hohen und höchsten Personen bei einem Besuche im Kreise ein sonst nicht vorhandenes passendes Unterkommen zu gewähren. Die Einkünfte würden troß der hohen Miethen des Landraths und der Kreis-Sparkasse von den Unterhaltungskosten absorbirt.

III. Im Jahre 1840 war unter Garantie der Kreisforporation eine Kreis-Sparkasse gegründet worden. Daneben hatte neuerlich die Stadtgemeinde N. eine besondere (städtische) Sparkasse errichtet. In Ansehung der ersteren drang der zukünftige Landkreis vor Allem auf Lösung der bestehenden Gemeinschaft in dem Sinne, daß ihm allein die Sparkasse verbleibe. Dabei sah er die Haftpflicht der Stadt für die bisherigen Einlagen als ohne Weiteres mit dem Ausscheiden der Stadt aus dem Kreisverbande erloschen an. In der Hauptsache betraf indeß der Streit über dieses Objekt den zugehörigen Reservefonds. Derselbe - am 31. März 1882 gegenüber einer Passivmasse von ca. 10 000 000 M. sich auf etwa ca. 500 000 M. be= Laufend sollte statutenmäßig erst, insoweit er 10 Prozent der Passivmasse übersteige, im Interesse des Kreises für öffentliche Zwecke disponibel werden. Damit hielt der zukünftige Landkreis für jest jeden Anspruch des ausscheidenden Kreistheiles auf diesen

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