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des Organisationsgeseßes nicht die Bestimmung zuständiger Amtsvorsteher für die Fälle regelt, wo die Grundstücke in mehreren Bezirken belegen sind, oder es zweifelhaft ist, zu welchen Bezirken sie gehören, oder die in Anspruch zu nehmenden Personen oder Korporationen in mehreren Bezirken wohnen bezw. ihren Sit haben. Vielmehr handeln die §§. 46-48 dieses Gesezes, wie das Marginale und die Einleitung des §. 46 klar ausdrücken, lediglich und allein von der „örtlichen Zuständigkeit der im §. 45 bezeichneten Behörden“ und diese Behörden sind nach §. 45 die im §. 4 ebendaselbst bezeichneten, zur Mitwirkung bei den Geschäften der allgemeinen Landesverwaltung berufenen Beschlußbehörden: Provinzialrath, Bezirksrath, Kreis- und Stadtausschuß.

Wird einer solchen Behörde auf Grund des §. 47 a. a. D. eine Geschäftssache zur Beschlußfassung überwiesen, so erweitert sich ihre Zuständigkeit über ihren regelmäßigen Bezirk hinaus auf Grundstücke, die in anderen Bezirken gelegen sind, auf Personen und Korporationen, die in anderen Bezirken wohnen bezw. ihren Siz haben.

Weiter fehlt aber auch jeder Anhalt dafür, den §. 61 der Kreisordnung in der Fassung des Gesetzes vom 19. März 1881 auf den so erweiterten Amtsbezirk nicht zu beziehen. Weder der Wortlaut des Gesezes noch auch die erkennbare Absicht des Gesetzgebers und die Stellung dieser Vorschrift in dem Abschnitt der Kreisordnung von den Amtsbezirken und dem Amte der Amtsvorsteher ergeben die Zulässigkeit einer solchen Beschränkung. Auch wenn davon auszugehen ist, daß dem Kreisausschusse immer nur die Amtsvorsteher und Bürgermeister seines regelmäßigen Verwaltungskreises zur Verfügung stehen, so hindert dies doch keineswegs die Handhabung des §. 61 auch für Fälle der vorliegenden Art. Die Gesetzgebung bietet hiernach für die analoge Anwendung des §. 47 des Organisationsgesetes im Sinne der Revisionsbeschwerde keinen Raum.

Wenn der Amtsvorsteher in der Berufungsinstanz noch geltend gemacht hat, daß die von ihm bekämpfte Rechtsauffassung das Verfahren schwerfällig und unpraktisch machen würde, so hat

der Berufungsrichter zutreffend darauf hingewiesen, daß de lege lata dies Argument nicht Plat greifen kann. Uebrigens konnte der Gesetzgeber gegen dasselbe auch sehr wohl für durchgreifend erachten, daß die Regelung einer rein örtlichen Angelegenheit nicht weiter als unerläßlich nöthig einer höheren Instanz mit Uebergehung der nächsten Aufsichtsinstanz zu übertragen sei.

Endlich kann auch die zweitinstanzliche Entscheidung nicht mit der an sich völlig zutreffenden Ausführung der Revisionsbeschwerde angefochten werden, daß die Ernennung des Amtsvorstehers durch den Regierungspräsidenten sich lediglich auf eine reine Verwaltungsangelegenheit beziehe, für welche die Möglichkeit eines sich an diese knüpfenden Streitverfahrens nicht habe in Betracht kommen können. 3um Streitverfahren ist der hier beflagte Amtsvorsteher an sich wohl legitimirt, weil Gegenstand desselben ein von ihm gemäß Artikel IV. §. 2 der Novelle zur Kreisordnung vom 19. März 1881 erlaffener Beschluß ist. Dieser Beschluß ist aber im Streitverfahren wie jede polizeiliche Verfügung auf seine Geseßmäßigkeit zu prüfen und daher an erster Stelle auch darauf, ob der Amtsvorsteher zu seinem Erlaß zuständig war. Die Verneinung dieser Frage bedingt seine Aufhebung, ohne daß es thunlich wäre, die Zuständigkeit des Amtsvorstehers im Streitverfahren selbst zu ordnen und herzustellen, da es sich hierbei nicht um die Legitimation zum Streitverfahren selbst als vielmehr um die Zuständigkeit zu Amtshandlungen handelt, die außerhalb desselben liegen und Gegenstand des Streites sind. In dieser Hinsicht unterscheidet sich auch das gegenwärtige auf der Basis des Artikel IV. a. a. D. fich bewegende Streitverfahren von dem Verfahren, welches vor Erlaß dieses Gesezes in Wegefachen gemäß §§. 61 und 135 II. 1 der Kreisordnung in der Fassung des Gefeßes vom 13. Dezember 1872 Anwendung fand und in welchem die vom Vorderrichter berührten, hier allerdings nicht anwendbaren Entscheidungen des unterzeichneten Gerichtshofes vom 7. Dezember 1880 und 18. Januar 1882 [Entscheidungen Bd. VIII. S. 184 ff. und 208 ff.] ergangen find.

Das angefochtene Endurtheil ist hiernach begründet.

Wenn übrigens in demselben beiläufig betont wird, daß das Verfahren nach Artikel IV. a. a. D. nur auf öffentliche Wege zutreffe, so ist das insofern mißverständlich, als auch die Umwandlung privater Wege in öffentliche wohl Gegenstand der Anordnung gegen den Wegebaupflichtigen nach Maßgabe des Artikel IV. §. 2 a. a. D. sein kann.

Nr. 27.

Die Befugniß zum Gebrauche öffentlicher Wege beschränkt durch die gleiche Berechtigung aller Mitglieder des Publikums.

Dem Einzelnen steht ein Recht darauf, zur Einlegung von Schienengeleisen in den Körper öffentlicher Straßen verstattet zu werden, nicht zur Seite. Ist die Ortspolizeibehörde berechtigt, gegen den Widerspruch dessen, dem unbeschadet des gemeinen Gebrauches die Verfügung über den Körper einer öffentlichen Straße und dessen Nugung zusteht (Straßenherr, Eigenthümer, Wegebaupflichtiger), die Anbringung (von Schienengeleisen in demselben durch eine Privatperson anzuordnen, welche den Personentransport vermittelst einer Pferdebahn gewerbsmäßig betreiben will?

Allgemeines Landrecht Th. II. Tit. 15. §§. 1, 2, 3, 7, 25.

I.

Endurtheil des I. Senats vom 22. Dezember 1883.

Die Zuckerfabrik zu R. liegt auf der einen Seite der von W. nach R. führenden öffentlichen Fahrstraße und ist mit den die andere Seite derselben einnehmenden Lagerpläßen für Rüben,

Rohlen 2c. durch zwei, den Weg in dessen Niveau überschreitende Schienengeleise verbunden. Zur leichteren Ueberführung der Kohlen nach der Fabrik suchte der Inhaber im Jahre 1883 bei dem zuständigen Amtsvorsteher die Erlaubniß zur Einlegung eines dritten Geleises in den Straßenkörper nach, wurde aber abschlägig beschieden, weil bei dem zu erwartenden Umfange des Transportes und der Geschwindigkeit der auf dem abschüssigen Terrain hinrollenden Wagen unzulässige Störungen des Fuhrwerks- und Personenverkehrs. auf der frequenten Straße zu beforgen seien. Nachdem die zunächst angerufenen Beschwerdeinstanzen dieser Auffaffung beigetreten waren, nahm der Antragsteller zur Begründung der nunmehr erhobenen Klage unter dem Hinweis auf die §§. 2, 3, 7, Tit. 15 Thl. II. A. L.-R. für fich das Recht in Anspruch, den Straßenkörper zu Transportzwecken mit Schienen zu versehen, sofern die Ordnung und Sicherheit des Verkehrs nicht darunter leide, was bei sachgemäßer Beurtheilung der thatsächlichen Verhältnisse zu verneinen sei. Eine übermäßige Belastung des Weges stehe auch bei Herstellung des dritten Geleises nicht zu erwarten, was näher dargelegt und durch eine überreichte Erklärung mehrerer benachbarter Amtsvorsteher unter Beweis gestellt wurde. Der fragliche Weg sei endlich keine Land- und Heerstraße, sondern ein nach den provinziellen Wegeordnungen zu beurtheilender Gemeindeweg zur Verbindung der Ortschaften W. und R., dessen Unterhaltung die Zuckerfabrik übernommen habe.

Das Oberverwaltungsgericht erkannte indeß auf Zurückweisung der erhobenen Klage.

Gründe :

Der Kläger behauptet, daß ihm, soweit die beabsichtigte AnLage die Ordnung, Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs nicht beeinträchtige, gefeßlich ein Recht auf Zulassung derselben zustehe. Ein solches Recht ist jedoch nicht nachgewiesen.

Die §§. 2, 3 und 7 Tit. 15 Th. II. A. L.-R., auf welche die Klage Bezug nimmt, sind zunächst nur für die Land- und Heerstraßen im Sinne des §. 1 daselbst gegeben, deren Nußung

Entscheid. d. königl. Oberverwaltungsgerichts. X.

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und Unterhaltung dem Staate zusteht, bezw. obliegt (§. 11 daselbst). Klägerischerseits ist nachträglich betont worden, daß die hier fragliche von W. nach R. führende Straße keine Landund Heerstraße im Sinne des §. 1 a. a. D. sei, und jedenfalls ist dies insoweit zutreffend, als sie nicht zu den Land- und Heerstraßen, welche der Staat nußt und zu unterhalten hat, gehört, vielmehr unter das provinzielle Wegerecht von Schlesien, insbesondere das Reglement vom 11. Januar 1767 fällt. Immerhin ist jener Weg eine öffentliche Straße, und erscheint es daher allerdings zulässig, hier jene §§. 2, 3 und 7 insoweit zu berücksichtigen, als dieselben Rechtsgrundsäße klarstellen, welche sich aus der rechtlichen Natur der öffentlichen Wege als solcher ergeben, und deshalb nicht nur jenen Land- und Heerstraßen als einer besonderen Art der öffentlichen Wege eigenthümlich sind, sondern für lettere allgemein zutreffen, falls nicht besondere Rechtsverhältnisse und die besondere Bestimmung einzelner Arten der öffentlichen Wege Abweichungen und Einschränkungen statuiren. Aus jenen Rechtsnormen folgt aber keineswegs das vom Kläger behauptete Recht.

Der Kläger will sich des hier fraglichen öffentlichen Weges nicht etwa gleich Jedem zum Fortbringen seiner Sachen bedienen und es handelt sich hier nicht um den gemeinen, jedem Gliede des Publikums gleichermaßen zustehenden Gebrauch des Weges, den der §. 7 a. a. D. mit den Worten definirt: „der freie Gebrauch der Land- und Heerstraßen ist einem Jeden zum Reisen und Fortbringen seiner Sachen gestattet." Vielmehr will der Kläger den öffentlichen Weg zu einer besonderen, ihm allein gehörigen Transportanstalt durch Hineinlegen von ihm ausschließlich dienenden Schienen benußen. Es handelt sich also um den ausschließlichen privaten Gebrauch des Wegekörpers im Gegensaß zu dessen Bestimmung als öffentlicher Weg, im Gegensaße zu dem freien Gebrauch eines Jeden gemäß §. 7 a. a. D. Die Benußung des Weges zu der vom Kläger projektirten Transportanstalt stellt eine Verfügung über den Weg im Sinne der §§. 2 und 3 a. a. D. dar, wo es heißt:

„Ohne besondere Erlaubniß des Staates darf sich Niemand eine Verfügung über solche Straßen anmaßen.“

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