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des christlichen Schulwesens sind von den Juden, deren Kinder die christliche Ortsschule besuchen, gleich

wie von den Christen zu entrichten."

Eine andere Verbindung der Juden mit den christlichen Volksschulen und eine andere Verbindlichkeit derselben, Schulbeiträge für die Lehteren zu leisten, kenne das Geseß nicht, lasse dasselbe nicht zu (zu vgl. §. 29 jenes Gesezes vom 30. September 1842 und §. 3 Absatz 2 der Schulordnung für die jüdischen Schulen vom 5. Februar 1854).

Nachdem der beklagte Schulvorstand gegen diese Entscheidung Berufung eingelegt hatte, nahm der von dem Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten bestellte Kommissar Anlaß, bei der mündlichen Verhandlung der Sache die Stellung der Schulverwaltung gegenüber gegenüber den Ausführungen des Vorderrichters eingehend darzulegen. Er erklärte: Die Entscheidung selbst aufrecht zu erhalten, werde nach Lage der Sache keinem Bedenken begegnen, da eine Zuweisung der Juden in C. zu dem lutherischen Schulverbande daselbst nicht stattgefunden habe, sonach die Vorausseßung fehle, durch deren Vorhandensein die Zulässigkeit der Heranziehung der Juden zu den Schullasten des gedachten Schulverbandes überhaupt bedingt sei. Der Bescheid, welchen die Regierung auf den an sie gerichteten Antrag des beklagten Vorstandes, die jüdischen Einwohner zu C. dem lutherischen Schulverbande als Mitglieder anzuschließen, ertheilt habe, könne für zutreffend nicht erachtet werden. Der MinisterialErlaß vom 24. April 1884, auf welchen die Regierung sich berufen, sei in einem Falle ergangen, in welchem nur ein christlicher Schulverband bestanden hätte, nicht deren mehrere, wie in der Stadt C.; auch habe, wenn in dem erwähnten Erlasse von einer im Falle des Nichtbestehens einer besonderen jüdischen Schule „kraft des Gesezes" eintretenden Verbindung des jüdischen mit dem christlichen Schulwesen die Rede sei, damit nur gesagt sein sollen, das Gesez selbst schreibe für den gedachten Fall vor, daß eine Verbindung des jüdischen mit dem christlichen Schulwesen eintreten solle. Die Regierung

habe außer Acht gelassen, daß eine solche Verbindung, wo sie thatsächlich noch nicht eingetreten, rechtlich wirksam nur von der für die Einrichtung und Regulirung der Schulverbände zuständigen Schulaufsichtsbehörde nach Anhörung der Bethei= ligten herbeigeführt werden könne (§§. 12, 13, 37 des Volksschulgesetes vom 26. Mai 1845), überdies nicht gehörig berücksichtigt, daß, da in C. mehrere christliche Schulverbände bestehen, den Juden freigestanden haben würde, die Schule bezw. den Schulverband, welchem zugewiesen zu werden sie etwa wünschen möchten, selbst zu wählen.

Die Entscheidung des Bezirksausschusses beruhe nicht auf diesen Erwägungen, sondern auf dem denselben entgegentreten= den prinzipiellen Grunde, daß die Zuweisung von Juden zu einem christlichen Schulverbande überhaupt unzulässig sei. Diesen Grund entnehme der Bezirksausschuß aus dem nach seiner Meinung eigenartigen streng konfessionellen Charakter des Volksschulwesens in der Provinz Hannover, welcher darin bestehe, daß in jener Provinz der Schulverband lediglich aus denjenigen Angehörigen der betreffenden Religion bezw. Konfession gebildet werde, die in einem bestimmten örtlich begrenzten Bezirke ihren Wohnsiz haben. Dieser Saß sei allerdings von dem vormaligen Hannoverschen Kultusministerium in der Verwaltungspraxis bei Entscheidung streitiger Fälle mehrfach in Anwendung gebracht und als Grundsaß aufgestellt worden. Er finde aber weder in einer gefeßlichen Vorschrift noch in einer sonstigen Rechtsquelle eine Begründung, und es sei demselben Seitens der Preußischen Unterrichtsverwaltung die Anerkennung rechtlichen Bestandes stets versagt worden. Schon im Jahre 1870 habe es das Ministerium bei mehreren Anlässen, und zwar im Einverständnisse und auf Instanz einzelner Hannoverscher Konsistorialbehörden, selbst als unzweifelhaft bezeichnet, daß in der Provinz Hannover ein Schulverband auch Mitglieder verschiedener Konfessionen in sich vereinigen könne, frühere, von dem vormaligen Hannoverschen Kultusministerium erlassene generelle Weisungen abweichenden Inhalts für beseitigt erklärt und die Ansicht, daß

sehr wohl und unbeschadet des konfessionellen Charakters der Schulen selbst die Schulverbände Mitglieder verschiedener Konfessionen umfassen könnten, als jezt wieder zur Geltung gelangt gekennzeichnet. An dieser Auffassung sei seitdem bis jezt gleichmäßig festgehalten worden, und werde daran auch ferner festzuhalten sein, wenn nicht in der Provinz Hannover unverkennbar anomale und grundsäßlich nicht zuzulassende Zustände im Volksschulwesen und in der Beitragspflicht zu dessen Unterhaltung herbeigeführt werden sollten, was zu besorgen stände, wenn die der Auffassung der Centralinstanz der Unterrichtsverwaltung direkt entgegentretende Ansicht des Bezirksausschusses in der vorliegenden Streitsache ohne Berichtigung bliebe.

Sei jenem vom Bezirksausschusse behaupteten allgemeinen Saße die Anerkennung rechtlicher Geltung zu versagen, und könne demgemäß die Annahme, daß Juden nicht Angehörige eines christlichen Schulverbandes seien, solchen von der Schulaufsichtsbehörde nicht zugewiesen werden könnten, durch denselben nicht begründet werden, so bleibe nur noch die Frage übrig, ob die Zulässigkeit der Zuweisung von Juden da, wo eine besondere jüdische Schule, ein besonderer jüdischer Schulverband nicht besteht, zu einem christlichen Schulverbande durch besondere geseßliche Vorschriften ausgeschlossen, ob insbesondere derartige Bestimmungen etwa in dem Geseße über die Rechtsverhältnisse der Juden vom 30. September 1842 enthalten seien. Diese Frage sei zu verneinen.

Was das vornehmlich in Betracht kommende Geseß vom 30. September 1842 anlange, so sei zwar die Fassung der das Verhältniß der Juden zum Schulwesen betreffenden Vorschriften dieses Gesezes und deren Anwendung in systematischer Hinsicht keine glückliche und wohl geeignet, über deren eigentliche Bedeutung und. Tragweite zu mancherlei Zweifeln Anlaß zu geben. Indessen erschienen, wenn man bei der Auslegung vor Allem in Betracht ziehe, was der Gesetzgeber wahrscheinlich gemeint und eigentlich beabsichtigt habe, die Vorschriften des §. 8 Absatz 2 und §. 28 in Verbindung mit §. 41 des

Gesezes doch ausreichend zur Begründung der in dem schon vorerwähnten Ministerial-Erlasse vertretenen Auffassung, daß in dem Falle des Nichtvorhandenseins einer besonderen jüdischen Schule die Zuweisung der Juden zu christlichen Schulverbänden nicht bloß nicht unzulässig, sondern als durch das Geseß selbst vorgeschrieben zu erachten sei. Einer Berichtigung bedürfe, wie beiläufig bemerkt werde, dieser Erlaß in dem Ausspruch, daß unter den in §. 45 des Gesezes vom 30. September 1842 bezeichneten sonstigen Beiträgen" solche sonstigen Leistungen zu verstehen seien, welche gleich dem Schulgelde von allen die Schule besuchenden Kindern bezahlt werden müßten, wie z. B. das mehrfach noch übliche Feuerungsgeld 2c., es seien vielmehr unter den sonstigen Beiträgen die Schulbeiträge im Sinne des §. 77 des früheren Zuständigkeitsgefeßes vom 26. Juli 1876 bezw. die Abgaben und sonstige nach öffentlichem Rechte zu fordernde Leistungen für Volksschulen im Sinne des §. 46 des Zuständigkeitsgeseßes vom 1. August 1883 zu verstehen.

Der Kommissarius erläuterte hierauf unter Bezugnahme auf die Entstehungsgeschichte des Gefeßes vom 30. September 1842 des Näheren die das Verhältniß der Juden zum Schulwesen betreffenden Vorschriften dieses Gesezes im Einzelnen und in ihren Beziehungen zu einander sowie in der Unterscheidung der Fälle, in welchen eine besondere jüdische Schule bestehe, von denen, in welchen eine solche nicht bestehe, und hob hierbei das Folgende hervor:

Das Gesez beruhe auf der Grundtendenz, die Juden in Rechten und Pflichten mit den Christen insoweit gleichzustellen, als es nicht selbst ausdrückliche Ausnahmen vorschreibe. Dies ergebe sich aus Artikel I des ersten Entwurfes von 1836 und dessen Begründung sowie aus der Erwiederung der Stände von 1837 (Aktenstücke der Ständeversammlung 1836 S. 450, 451, 456; Jahrg. 1837, S. 484, 486). Sei auch eine dem Artikel I des Geseßentwurfs von 1836, welcher den Saß an die Spize stelle die Juden . . . . sollen mit den christlichen Landeseinwohnern gleiche Rechte und Pflichten haben, soweit

nicht das gegenwärtige Geseß Ausnahmen und Beschränkungen begründet" entsprechende Bestimmung in den Entwurf von 1841 nicht wieder aufgenommen und in dem Geseze vom 30. September 1842 selbst nicht enthalten, so sei doch ersichtlich die erwähnte Grundtendenz nicht aufgegeben worden. Dieser Tendenz würde es nicht entsprechen, das durch den thatsächlichen Umstand, daß eine besondere jüdische Schule nicht besteht, hinreichend deutlich gekennzeichnete Verhältniß der Theilnahme der Juden an den Angelegenheiten des christlichen Schulwesens und der Verbindung des jüdischen mit dem christlichen Schulwesen (§. 8 Absaz 2 und §. 28 in Verbindung mit §. 41) dahin zu deuten, daß dieses Verhältniß nicht ein Verhältniß wirklicher Theilnahme und Verbindung in dem Sinne des gemeinen Sprachgebrauchs dieser Worte und mit der rechtlichen Wirkung sei, daß die Juden als Angehörige des christlichen Schulverbandes gleich den dem leßteren angehörenden Christen zu den Lasten des gemeinsamen Schulwesens beitragspflichtig wären, sondern in seinem Wesen und in seiner Wirkung bezüglich der Beitragspflicht für die christliche Schule mit dem Gastschulverhältniß sich decken, welches das Gesez für den Fall, daß eine besondere jüdische Schule besteht, die jüdischen Eltern aber ihre Kinder in der christlichen Ortsschule unterrichten lassen, statuirte (§. 39 Sat 2). Es könne nicht füglich angenommen werden, daß dies die Meinung und Absicht des Gesetzgebers gewesen, weil damit, in ersichtlichem Widerspruch mit der Grundtendenz des Gesezes, einer ganzen zahlreichen Klasse von Einwohnern ohne allen triftigen. Grund eine ungerechtfertigte und unbillige Befreiung von jeder Beitragspflicht zur Unterhaltung der öffentlichen Volksschulen eingeräumt wäre, welcher alle übrigen Landeseinwohner unterworfen feien.

Einer ausdrücklichen Vorschrift, daß im Falle des Nichtbestehens einer besonderen jüdischen Schule die Juden, d. h. alle Juden ohne Unterschied, ob sie schulpflichtige Kinder haben oder nicht und ob ihre Kinder die christliche Schule besuchen oder nicht, für den christlichen Schulverband gleich den dem

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