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nicht mehr abhängig sein zu lassen von einem ausdrücklichen Antrag, sondern sie zur geseßlichen Konsequenz der Erwerbung des Grundeigenthums oder längeren oder kürzeren Aufenthalts zu machen wo, sage ich, die Verhältnisse es wünschenswerth erscheinen lassen, alle solche Veränderungen zu treffen, da ist die Territorial-Gesetzgebung völlig unbeschränkt. Ich glaube, daß hiernach die Bedenken sich erledigen werden, welche der Herr Vorredner von dem vorliegenden Gesez in Bezug auf die Aufrechthaltung und Gestaltung der kommunalen Verhältnisse ge= äußert hat. (Vgl. stenogr. Berichte S. 544, 545). In ähnlicher Weise äußerte sich der Präsident Delbrück später nochmals auf eine Anfrage des Berichterstatters Dr. Braun zu dem Absah 3 des §. 1 (vgl. S. 553 a. a. D.). Wenn nun diesen bestimmten, einer verschiedenen Deutung überhaupt nicht fähigen Erklärungen, welche als Namens der Bundesregierungen abgegeben zu betrachten sind, von keiner Seite entgegengetreten ist, so erscheint es nicht zweifelhaft, daß die Kommissions-Vorschläge nur in demjenigen Sinne zum Geseze erhoben sind, welcher allein mit dem Wortlaute vereinbar und dem entsprechend auch durch den Vertreter des Bundeskanzleramts festgestellt ist. Wie dem Kläger immerhin zugegeben werden mag, hätte es vielleicht in der Konsequenz derjenigen Anschauungen, von denen die Kommission des Reichstages ausging, gelegen, noch einen Schritt weiter zu gehen und für den Gewerbetreibenden, sowie für den Erwerber. von Grundeigenthum auch die Verpflichtung zur Gewinnung des Bürgerrechts und zur Zahlung von Bürgerrechtsgeldern auszuschließen; eine dahin gehende Vorschrift ist aber nicht getroffen und kann in das Gesetz um so weniger hineingetragen werden, als es an jedem Grunde für eine Unterscheidung dieser Gemeindelast von anderen Gemeindelasten wenigstens in der Fassung des Gesezes fehlen würde.

Mit dem gewonnenen Ergebnisse befindet sich auch der weitere Verlauf der Reichsgesetzgebung in Uebereinstimmung.

Als die Bundesregierungen den Entwurf zur Gewerbeordnung vom 21. Juni 1869 vorlegten, lautete der §. 13 folgender= maßen:

Von dem Besize des Bürgerrechts soll die Zulassung zum Gewerbebetriebe in feiner Gemeinde und bei keinem Gewerbe abhängig sein. In der Verpflichtung der Gewerbetreibenden zur Erwerbung des Bürgerrechts, soweit solche in der bestehenden Gemeinde-Verfassung begründet ist, wird durch gegenwärtiges Gesetz nichts geändert; die Exekution auf Erfüllung dieser Verpflichtung darf aber nicht bis zur Untersagung des Gewerbebetriebes ausgedehnt werden.

Dazu bemerken die Motive:

=

Der im §. 13 aufgestellte Grundsaß, daß die Zulaffung zum Gewerbebetriebe nirgends von dem Besize des Bürgerrechts abhängig sein solle, ist im Norddeutschen Bunde bereits bestehenden Rechtens. Dem ebenfalls dem bestehenden Rechte entsprechenden Zusaß, daß in der Verpflichtung des Gewerbetreibenden zur Erwerbung des Bürgerrechts, soweit solche in der bestehenden Gemeinde - Verfassung begründet ist, durch gegenwärtiges Geseß nichts geändert werde, hat die Kommission des Reichstages den entgegen= gesezten Grundsaß gegenübergestellt, daß u. s. w. Die Bundesregierungen konstatiren hier also als den bestehenden Rechtszustand, daß zwar die Zulassung zum Gewerbebetriebe nicht von dem Besize des Bürgerrechts abhänge, daß aber demnächst der Gewerbetreibende zur Erwerbung des Bürgerrechts angehalten werden dürfe genau der vom Präsidenten Delbrück bei der Berathung des Freizügigkeitsgefeßes eingenommene Standpunkt. Im weiteren Verlaufe der Begründung wird dann dargelegt, daß es sich um Aufrechterhaltung der konstitutiven Grundlagen für die GemeindeVerfassungen handele und deshalb auf die abweichende Anschauung der früheren Reichstags-Kommission nicht eingegangen

werden könne. Nun hat allerdings der Reichstag dem nicht zugestimmt, vielmehr dem §. 13 eine wesentlich andere Gestalt gegeben. Allein bei den desfallsigen Verhandlungen ist nur von einer Seite, von dem Abgeordneten Fries, die in den Motiven niedergelegte Auffaffung der Bundesregierungen über das bestehende Recht für nicht zutreffend erachtet (vgl. steno= graphische Berichte über die Sigungen vom 8. April und 25. Mai 1869 S. 259 und 1062 ff.) und diese Ansicht wird dann nicht bloß von dem Präsidenten Delbrück als völlig falsch bezeichnet (vgl. S. 1063), sondern es erkennen auch alle sonstigen Redner, die Antragsteller der demnächst Gesetz gewordenen Abänderungsvorschläge eingeschloffen, den von den Bundesregierungen geschilderten Rechtszustand als dem Freizügigkeitsgefeße entsprechend an. Gerade deshalb wurde es für erforderlich gehalten, besondere nach der Anschauung des Klägers nicht bloß überflüssige, sondern die Bestimmungen des Freizügigkeitsgefeßes sogar noch einschränkende Bor= schriften zu treffen, wodurch die Befugniß der Gemeinden, die Gewerbetreibenden nach begonnenem Betriebe zum Erwerbe des Bürgerrechts und zur Entrichtung des Bürgerrechtsgeldes heranzuziehen, sehr erheblich eingeengt ist. Diese Vorgänge könnten nahezu als eine Deklaration des Freizügigkeitsgefeßes, wenn es deren noch bedürfte, angesehen werden; sie würden die Auslegung des Klägers selbst bei einer ihm günstigeren Fassung des Gefeßes nicht gestatten.

Wenn der Kläger schließlich noch darauf hingewiesen hat, bei der hier vertretenen Ansicht würde der Absaz 3 im §. 1 des Freizügigkeitsgefeßes auch nicht einmal einem Zwange, wegen Besizes von Grundeigenthum das Glaubensbekenntniß zu ändern oder die Landesangehörigkeit zu erwerben, entgegengestellt werden können, so braucht hierauf nicht näher eingegangen zu werden, weil diese Frage nicht zur Entscheidung steht. Uebrigens dürfte schwerlich innerhalb der Bundesstaaten eine Rechtsnorm des Inhaltes bestanden haben, daß jeder Besizer von Grundeigenthum verpflichtet sei, ein bestimmtes Glaubensbekenntniß anzunehmen oder die Staatsangehörigkeit

zu erwerben; und ob eine derartige Rechtsnorm mit anderweit festgestellten Grundsäßen vereinbar wäre, müßte jedenfalls einer besonderen Erörterung unterzogen werden.

Somit war die Klage gegen den Magistrat aus formellen, die Klage gegen das Bürgervorsteherkollegium aus fachlichen Gründen zurückzuweisen und in diesem Sinne die Vorentscheidung zu bestätigen.

II.

Aus einem Endurtheile des II. Senats vom 13. Mai 1887.
Rep. II. B. 22/87.

Die Klage ist wider den Magistrat gerichtet, und zwar dahin, daß sowohl die von ihm ausgegangene Aufforderung, der Kläger solle das Bürgerrecht gegen Entrichtung des Bürgergewinngeldes erwerben, als auch der den Einspruch des Klägers zurückweisende Beschluß des BürgervorsteherKollegiums aufgehoben werde. Dem gegenüber führt der Vorderrichter in Beziehung auf die Passivlegitimation des Magistrats Folgendes aus:

Nach §. 10 des Zuständigkeitsgefeßes sei die Gemeindevertretung die entscheidende Behörde, welcher der Gemeindevorstand einerseits und der Betheiligte andererseits als Parteien gegenüberständen. Für diese Auffassung spreche auch der Umstand, daß dem Gemeindevorstande ebenfalls die Klage gegeben sei. Damit werde der Gemeindevorstand ausdrücklich als Prozeßpartei hingestellt, welche die Klage gegen den Betheiligten und nicht etwa gegen die Gemeindevertretung zu erheben habe. Wenn der durch die Entscheidung der Gemeindevertretung beschwerte Theil die Klage gegen die Gemeindevertretung zu richten hätte, so würde dem anderen Theile jeder Einfluß auf den Gang des Rechtsstreites, welcher doch seine eigenen Angelegenheiten betreffe, versagt sein; ein solches Ergebniß widerspreche aber allen Grundsäßen des gerichtlichen Verfahrens.

Das

Dem ist indeß nicht beizutreten. Vielmehr mußte die vorliegende Klage sowohl nach dem Wortlaute wie nach der flar erkennbaren Absicht des Geseßes gegen das Bürgervor= steher-Kollegium gerichtet werden. Das Zuständigkeitsgeset vom 1. August 1883 überweist im §. 10 eine Reihe von Angelegenheiten, welche theils in Folge von Beschwerden und Einsprüchen, theils von Amtswegen erledigt werden müssen, zur Beschlußfassung an die Gemeidevertretung und bestimmt sodann im §. 11, daß gegen den Beschluß der Gemeindevertretung, welcher keiner Genehmigung oder Bestätigung von Seiten des Gemeindevorstandes oder der Aufsichtsbehörde bedarf, die Klage im Verwaltungsstreitverfahren stattfindet, fügt daneben aber noch hinzu, daß die Klage auch dem Gemeindevorstande zustehe. Schon hiernach erscheint es völlig ausgeschlossen, der Gemeindevertretung die Stellung einer Behörde anzuweisen, welche in einem Streite zwischen dem Gemeindevorstande und den Betheiligten zu „entscheiden“ habe. Gesez spricht nicht von einer Entscheidung, sondern von einem Beschlusse der Gemeindevertretung und hebt noch besonders hervor, daß derselbe weder durch den Gemeindevorstand zu genehmigen noch durch die Aufsichtsbehörde zu bestätigen sei; lezteres enthält allerdings gegenüber verschiedenen Städteordnungen, z. B. der Städteordnung für die östlichen Provinzen der Monarchie vom 30. Mai 1853 eine wesentliche Aenderung des bestehenden Rechts, würde sich aber gegenüber der in einem Streitverfahren abzugebenden Entscheidung" aus dem Wesen der Sache ohne Weiteres ergeben haben und hätte deshalb nicht erst einer ausdrücklichen Anordnung bedurft. Allein auch hiervon abgesehen ist die Auffassung des Vorderrichters, daß der Gemeindevorstand einerseits und der Betheiligte andererseits als Parteien vor der Gemeindevertretung Recht zu nehmen hätten, unvereinbar mit dem Grundgedanken des Gesezes. Soweit die Gemeindevertretung von Amtswegen einzutreten hat wie möglicherweise bei der Beschlußfassung über die Gültigkeit der Wahlen zur Gemeindevertretung (§. 10 Nr. 2) und regelmäßig bei der Festsetung

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