Erinnerungen

Front Cover
Langen, 1919 - Authors, German - 321 pages
 

Contents

Other editions - View all

Common terms and phrases

Popular passages

Page 41 - ... Seite oder hinterm Ochsensitzer habe fliegen sehen. In klaren Nächten mußte man bloß vor die Türe gehen, dann hörte man vom Walde herüber ein feines Klingeln und sah in den Büschen ein Licht aufblitzen. Da röteten sich die Backen vor Aufregung, und die Augen blitzten vor freudiger Erwartung. Je näher aber der Heilige Abend kam, desto näher kam auch das Christkind ans Haus, ein Licht huschte an den Fenstern des Schlafzimmers vorüber, und es klang wie von leise gerüttelten Schlittenschellen.
Page 199 - Ich kann noch heute das Titelbild dieses Heftes nicht sehen, ohne mich ergriffen zu fühlen von der Erinnerung an jene Zeit und von der Sehnsucht nach ihr, die voll Fröhlichkeit, voll Streben, voll Hoffen war.
Page 317 - Verantwortlichkeitsgefühl angegriffen, wir haben das rückgratlose Philistertum, die verlogene Phrase, wir haben jede Schnoddrigkeit und Selbstgefälligkeit bekämpft, aber als der Krieg da war, gab es nichts mehr als das Schicksal des eigenen Landes.
Page 219 - Mißbehagen begegnen; es mußte sich äußern, und die Form des Spottes wirkte erlösender als schwerblütiger Tadel, denn er zeigte blitzartig, mit unwiderleglicher Schärfe das, worauf es ankam, und die ärgerliche Erkenntnis milderte sich durch die Möglichkeit, darüber herzhaft lachen zu können. Spott untergräbt keine echte Autorität, weil er sie nicht treffen kann, aber dem auf Äußerlichkeiten ruhenden, konventionell festgehaltenen, dem übertriebenen und angemaßten Ansehen tut er Abbruch...
Page 321 - Je enger sich der Kreis von Ausgang und Ende schließt, desto stärker empfinde ich es, wie darin das beste Glück enthalten ist. Um mich ist Heimat. Und ihre Erde kann einmal den, der sie herzlich liebte, nicht drücken.
Page 317 - Simplicissimus wie mir persönlich vorzuwerfen, daß wir im Kriege unsere Ansichten geändert, unsere einmal heftig verfochtenen Grundsätze aufgegeben hätten. Es ist ein Laster politisierender Spießbürger, im Festhalten an einer Meinung ein Verdienst zu erblicken. Es liegt im Lernen und im Bekennen. Und zudem ist der Vorwurf unbegründet. Im Simplicissimus...
Page 228 - Hin und wieder erschien ein junger Mann bei uns und brachte einen Stoß Manuskripte, die er für den Verlag geprüft hatte, und übergab der Redaktion ab und zu geschätzte Beiträge; er war sehr zurückhaltend, sehr gemessen im Ton, und man erzählte von ihm, daß er an einem Roman arbeite. Der junge Herr hieß Thomas Mann und der Roman erschien später unter dem Titel Buddenbrooks.
Page 317 - Im Simplicissimus sind wir alle — ich weder allein, noch vorzugsweise — für die Erhaltung des Friedens eingetreten, wir haben ohne ängstliche Rücksichten das persönliche Regiment mit seinen schädlichsten Begleiterscheinungen, dem aufdringlichen Reden, der Heldenpose, der Gottähnlichkeit, der Operettenpolitik, dem Mangel an...
Page 186 - An einem Augustabend fuhr ich mit einem Freunde nach Dachau, um von da weiter nach Schwabhausen zu gehen. Wie wir den Berg hinaufkamen und der Marktplatz mit seinen Giebelhäusern recht feierabendlich vor mir lag, überkam mich eine starke Sehnsucht, in dieser Stille zu leben. Und das Gefühl verstärkte sich, als ich andern Tags auf der Rückkehr wieder durch den Ort kam. Ich besann mich nicht lange und kam um die Zulassung in Dachau ein.
Page 219 - Persönlichkeit viel oder alles gilt, höchst aufreizend wirkte. Die unechte Heldenpose, die einem so häufig vor Augen gestellt wurde, konnte nicht immer einem schweigenden Mißbehagen begegnen; es mußte sich äußern, und die Form des Spottes wirkte erlösender als schwerblütiger Tadel, denn er zeigte blitzartig, mit unwiderleglicher Schärfe das, worauf es ankam, und die ärgerliche Erkenntnis milderte sich durch die Möglichkeit, darüber herzhaft lachen zu können. Spott untergräbt keine...

Bibliographic information