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Drohungen von Gunnar seinen Tod zu fordern, um nicht nur ihre Rache an ihm zu kühlen, sondern um auch den geliebten Helden den Armen der verhassten Nebenbuhlerin auf immer zu entreissen. Dem Gunnar gegenüber ist Sigurd darum schuldig, weil er das Geheimnis der Täuschung verraten, und dadurch die Brudereide gebrochen hatte. Nach dem Nibelungenlied wird also an ihm ein schändlicher Mord begangen, welchen die Urheber zu verbergen sich bemühen; dagegen nach der nordischen Sage sind Brunhild und Gunnar berechtigt Rache zu fordern und die rheinischen Könige denken nicht weiter daran, Sigurds Tod zu verheimlichen, nachdem sie das Feige und Unwürdige dabei von sich abzuwälzen und dem Guthorm aufzuladen gesucht haben. W. Grimm, Heldens. 362. 363. Die folgende Darstellung muste aus der Edda und Wölsungasaga combiniert werden, was die Anmerkungen zu rechtfertigen suchen.

1. Inmittelst giengen grimme Nornen. Allein sass sie aussen am Abend des Tages und laut begann sie also mit sich zu reden: 'Haben will ich Sigurd, oder doch sterben, den alljungen Mann mir im Arme. Ein Wort sprach ich nun, darnach reuet es mich; sein Weib ist Gudrun, aber ich (bin) Gunnars: leidige Nornen schufen uns langes Leid!' Oft geht sie, innen mit Bösem erfüllt, über Eis und Gletscher jeden Abend, wenn Gudrun und Sigurd zu Bette gehen und er sie hüllt in das Tuch, der hunische König, sein Weib zu liebkosen. 'Baar geh ich beides, der Freude und des Mannes, ich muss mich ergetzen aus grimmem Mute.' Sie begann durch solche Erbitterung zum Mord sich aufzureizen (Sigurðarkv. 5-10).

Darauf gieng Brynhild hinaus und setzte sich unter ihre Kammerwand und hielt manche Harmerzählungen und sprach, ihr leide alles, beides Land und Macht, da sie Sigurd nicht habe; und Gunnar kam abermals zu ihr. Da sprach Brynhild (Völs. s.): 'Du sollst, Gunnar, gänzlich verlieren meine Lande und mich selber; ich werde (nimmer) Freude haben am Leben mit (dir) dem Edeling. Ich will heimfahren, wo ich vordem war, zu meinen nahgebornen Freunden; dort will ich sitzen und verschlafen mein Leben, wenn du nicht Sigurd sterben lässest und als König andern furchtbar wirst. Lassen wir den Sohn eines Weges mit dem Vater fahren, man soll den jungen Wolf nicht lange pflegen; welchem Manne wird die Rache dann leichter zur Sühne, so lange der Sohn lebt?' Zornig ward Gunnar und trauerte, schwankend in seinem Sinn sass er den ganzen Tag; er wuste das nicht völlig gewis, was ihm das Ziemlichste zu thun wäre, oder zu vollbringen ihm das Beste wäre; da er wuste, er werde des

Wölsungs beraubt, und an Sigurd einen grossen Verlust haben. Dies und jenes bedachte er gleich lange Zeit; denn das war nicht oft geschehen, dass Weiber von dem Königtum schieden. Er liess sich Högni zum Gespräche rufen, zu dem hatte er ganz volles Vertrauen (Sigurðarkv. 3, 10-14). Högni sprach: 'Warum bist du, Gunnar, Giukis Sohn 1), durch Böses und durch Mordrat getrübt; welches Verbrechen hat Sigurd begangen, dass du dem Kühnen willst das Leben nehmen?' Gunnar sprach: 'Mir hat Sigurd Eide geschworen, Eide geschworen und alle gelogen; da betrog er mich, als er aller Eide alleiniger treuer Bewahrer sein sollte (Brot af Brynh. kv. 1, 2). Allein ist mir Brynhild lieber als alle, Budlis Geborene, sie ist die Königin der Frauen; eher will ich mein Leben lassen, als die Schätze dieser Maid verlieren. Willst du uns helfen den Fürsten des Gutes berauben? Gut ists zu schalten über des Rheines Erz, in Freude der Kleinode zu walten und in Ruhe des Glücks zu geniessen' 2). Damit allein gab Högni Antwort: 'Nicht geziemt es uns, solches zu vollbringen, mit dem Schwerte zu brechen geschworene Eide, geschworene Eide, verheissene Treue. Wir wissen nicht auf Erden glückseligere Männer, so lange wir viere das Volk beraten und der hunische Heerführer lebt, noch eine herlichere Verwandtschaft auf Erden, wenn wir fünfe 3) noch lange Söhne erzeugen und die Geschlechter der Gothen vermehren könnten. Ich weiss genau, von wannen die Wege laufen: Brynhilds Quälereien sind übermächtig (Sigurðarkv. 3, 15— 19). Dich hat sie aus grimmem Zorn gereizt Frevel zu vollbringen; sie misgönnt der Gudrun den guten Ehestand, und sodann dir sie selber zu geniessen (Brot af Brynh. kv. 3), und ihr Rat bringt uns in grosse Schande und Schaden.' Gunnar antwortete: 'Ich werde es vollführen und ich sehe Rat (Völs. s.): wir wollen den Guthorm zum Morde reizen, den jüngern Bruder, den unerfahrneren; er stand ausserhalb der geschworenen Eide, der geschworenen Eide, der verheissenen Treue' (Sigurðarkv. 3, 20). Högni sagte: 'Der Rat scheint mir übel gefasst, und erfüllt er sich dennoch, so werden wir Entgeltung dafür empfangen, einen solchen Mann zu betrügen' 4). Gunnar sagte: 'Sigurd soll sterben, oder ich will sonst sterben; er bat Brynhild aufzustehen und fröhlich zu sein; sie stand auf, sagte jedoch, dass Gunnar nicht eher in ihr Bett komme, als bis dies vollbracht sei' 5). Nun berieten sich die Brüder mit einander. Gunnar sagte, dass dies eine gültige Todesursache sei, dass er Brynhild das Magdtum genommen

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habe 6): und reizen wir Guttorm diese That zu vollbringen.' Und sie riefen ihn zu sich und boten ihm Gold und ein grosses Reich und dies zu verdienen. Sie nahmen einen Wurm und Wolffleisch und liessen es sieden, und gaben ihm das zu essen, wie der Skalde sang: 'Sie nahmen Schwänze von Waldfischen (Schlangen), einige vertheilten Rabenaas, einige gaben dem Guttorm Wolffleisch mit Halbbier, und manche andere Dinge in Zaubertränken.'7) Und durch diese Speise und Alles zusammen und Grimhilds Zureden wurde er so wütend und habgierig, dass er diese That zu vollbringen verhiess; sie versprachen ihm auch dagegen grosse Ehre 8) (Völs. s.).

1) Der Urtext liest: 'Warum bist du, Brynhild, Budlis Tochter,' allein ich ändere also mit Simrock, da der Zusammenhang dieses fordert, obgleich Gunnar niemals Giukis Sohn angeredet wird, und die jüngere Edda ausdrücklich sagt: 'Darauf reizte sie (Brynhild) Gunnar und Högni den Sigurd zu tödten.' Die folgende Strophe hat Grimm mit Recht dem Gunnar zugetheilt, wie aus den Worten der Wölsungasaga, die dieses Lied nebst dem Sigurdslied benutzt hat, erhellt: Ueber mich (sagt hier Gunnar zu Högni) ist ein grosses Misgeschick gekommen; sagte, er wolle Sigurd erschlagen, und sprach, er habe sich umgewandt in der Treue.

2) 'Des Rheines Erz' ist Fafnirs Gold, das also vom Dichter genannt wird, weil es in den Rhein versenkt wurde. Vgl. Völundarkv. 15 (o. S. 29 ausgehoben). Klarer drückt dies die Völs. saga aus, indem sie den Gunnar, nachdem er den Entschluss ausgesprochen, Sigurd erschlagen zu wollen, sagen lässt: 'so gewinnen wir das Gold und alle Gewalt im Reiche.' Während Gunnar im heissesten Seelenkampfe den ganzen Tag schwankt, ob er seiner schönen und reichen Gattin entsagen, oder sich des herlichsten aller Helden durch einen frevelhaften Eidbruch berauben soll, greift auch hier in dieser entscheidenden Stunde, wie bei seiner Werbung um Brunhild, der Fluch Andvaris ein und bringt, durch den alleinigen Besitz des Goldes die höchste Macht verheissend, die heiligsten Eide zum Schweigen, so dass die offenen und edelmütigen Worte des gewaltigen und unbeugsamen Högni bei Gunnar gänzlich wirkungslos bleiben. Zugleich ist es aber auch die Herschsucht, welche Gunnar zum Morde antreibt, wie nicht nur aus der angeführten Stelle der Völs. saga, sondern auch aus Brot af Brynh. kv. 7 hervorgeht, wo Brunhild nach vollbrachtem Morde zu ihm sagt: 'Wol werdet ihr geniessen der Waffen und der Lande; allein würde Sigurd über alles herschen, wenn er ein wenig länger das Leben behielt.' Vgl. Str. 9. Nach dem Nibelungenlied Str. 813 sagt Hagen alle Tage zu Gunther, um ihn zu Sigfrids Mord aufzureizen, wenu Sigfrid nicht mehr lebte, so würden ihm viele der Königslande unterthan. Auch im hörnen Sigfridslied werden die Brüder zu Sigfrids Ermordung bewogen, weil sie nicht dulden wollen, dass er die Lande behersche.

3) Vorher sind viere und der hunische Heerführer, d. i. Sigurd, genannt; da wir aber nur drei Brüder Gunnar, Högni und Guthorm kennen, so wird noch Giuki mitzuzählen sein, dessen Tod wir erst Guðrûnarkv. 2, 25 erfahren.

4) Dem entspricht nichts in der Edda, es ist aber wahrscheinlich, dass die Saga dieses aus einem verlornen Lied, wahrscheinlich dem unten angeführten Lied des Skalden, entnommen hat.

5) Dieselbe Drohung spricht Brunhild auch im Nibelungenlied Str. 576. 587 gegen Gunnar aus, indem sie Mägdlein bleiben will, bis sie die Märe von ihm erfahren, warum Chriemhild Sigfrids Braut sei.

6) Diese Beschuldigung, welche dem Vorwurf entspricht, den Chriemhild im Nibelungenlied und in der Thidrikssaga der Brunhild beim Zanke macht, kennt weder die ältere noch die jüngere Edda; allein da Sigurðarkv. 3, 28 Sigurd sagt, dass er Brunhilds Buhle heisse, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Giukunge einer gültigeren Todesursache wegen diese Beschuldigung aufstellten.

7) Das Lied des Skalden kann nicht Brot af Brynh. kv. sein, obwol Str. 4 ganz ähnlich lautet: 'Einige brieten Wolffleisch, einige zerschnitten den Wurm, einige theilten dem Guthorm vom Wolfe zu, ehe die UnheilsLüsternen an den kühnen Helden die Hände legen mochten.' S. o. S. 36.

8) Sigurðarkv. 3, 21 sagt dagegen von Guthorm: 'Leicht aufzureizen war der keinen Aufschub Begehrende; es stand im Herzen das Schwert dem Sigurd!'

2. Sigurd empfand keinen Argwohn gegen diesen Verrat, er vermochte auch nicht seinem Geschicke noch seinem Lebensziele zu widerstehen; er war sich auch nicht bewust, Arglist von ihnen verdient zu haben. Guttorm gieng am nächsten Morgen hinein zu Sigurd, als er in seinem Bette ruhte; und als er ihn anblickte, wagte Guttorm nicht den beabsichtigten Anfall gegen ihn auszuführen und schwand wieder hinaus, und ebenso ergieng es zum andernmal. Die Augen Sigurds waren so scharf, dass es sehr wenige wagten dagegen aufzusehen. Und das drittemal gieng er hinein und da war Sigurd eingeschlafen. Guttorm schwang das Schwert und stiess es in Sigurd, so dass die scharfe Spitze im Polster unter ihm stand. Sigurd erwachte mit der Wunde; Guttorm aber gieng hinaus zur Thür; da nahm Sigurd das Schwert Gram und warf nach ihm, und es traf ihn im Rücken und schlug ihn in der Mitte von einander: auf die eine Seite fiel das Fussstück, aber auf die andere das Haupt und die Hände zurück in die Kammer 1) (Völs. s.). Eingeschlafen war Gudrun im Bett sorgenlos neben Sigurd; aber sie erwachte der Wonne beraubt, als sie in Freyrs Freundes (des Helden) Blute schwamm. So stark schlug sie ihre Hände zusammen 2), dass der Hartmutige sich aufrichtete gegen das Küssen: 'Weine du nicht, Gudrun, so grimmiglich, blutjunges Weib, dir leben noch Brüder (zum Troste) 3). Ich habe einen allzujungen Erben (Sigmund), er kann sich nicht flüchten aus der Feinde Wohnung. Sie haben sich schwarzen und schändlichen Neu - (Monds -) Rat 4) aber ersonnen. Nicht reitet ihnen fortan, wenn du auch sieben (Söhne) zeugtest, solch ein Schwestersohn zum Thing (Sigurðarkv. 3, 24-27). Nun ist das vollbracht, was vordem geweissagt worden ist und wir verschwiegen haben 5); aber niemand vermag dem Geschicke zu entgehen (Völs. s.). Ich weiss genau, wie das nun zugeht, Brynhild allein stiftete alles Unheil.

Mich liebte die Maid vor jeglichem Manne, aber gegen Gunnar verübte ich nichts Böses. 'Ich schirmte die Sippe und geschworene Eide, dennoch ward ich genannt seines Weibes Buhle (Sigurðarkv. 3, 27. 28). Und wenn ich dies vorher gewust hätte, und ich stieg auf meine Füsse mit meinen Waffen, dann sollten manche ihr Leben verlieren, ehe denn ich fiel, und all die Brüder erschlagen werden, und schwerer würde es ihnen mich zu erschlagen, als den grösten Wisend oder Wildeber' (Völs. s.). Das Weib stiess einen Seufzer aus, aber der König das Leben; sie schlug so stark ihre Hände zusammen, dass die Gläser auf dem Brette erklangen und die Gänse im Hof aufschrieen 6) (Sigarðarkv. 3, 29).

1) Sigurðarkv. 3, 22. 23 berichtet Sigurds Rache also: 'Es erhob sich zur Rache der Kampfgierige im Saal und warf nach dem nicht zu weilen Gesinnten; es flog nach Guthorm, dem Fürsten, kräftig das herlich glänzende Eisen aus des Königs Hand. Es sank sein Feind in zwei Theile: Hände und Haupt sank auf die andere Seite, aber der Füsse Theil fiel zurück zur Stätte.'

2) Weiber schlagen im Schmerz die Hände, Männer raufen den Bart und stossen den Kopf. Grimm, Edda.

3) Zusatz der Völs. saga.

4) Man fasste dabei mit dem Zunehmen des Mondes das Steigen und Wachsen des Glückes ins Auge, und der Neumond galt deshalb für eigentliche Beginn als heilbringende Zeit. Grimm, Myth. 676. 677.

5) S. S. 199 und die Anmerkung.

6) Die Hausthiere nehmen an den Klagen ihrer Herren Theil. Grimm, Edda.

Anmerk. In der Edda finden sich zwei von einander abweichende Ueberlieferungen über Sigurds Ermordung. Ausser Sigurðarkv. III., welcher die jüngere Edda und die Wölsungasaga folgen, berichten die obige noch Guðrúnarhvöt 4 und 17 und Hamdismâl 6-7; auch Guðrûnarkv. I. setzt dieselbe voraus. Dagegen heisst es Brot af Brynh. kv. 5. 6 und 11: 'Aussen stand Gudrun, Giukis Tochter, und dies war das allererste Wort, das sie sprach: 'Wo ist nun Sigurd, der Herr der Männer, da meine Freunde zuvorderst reiten?' Damit allein gab Högni Antwort: 'Zerhauen haben wir Sigurd mit dem Schwerte, es stiert stets das Grauross über den todten König.' Gefallen war Sigurd südlich am Rhein, ein Rabe auf dem Baume schrie laut: 'In euch wird Atli die Schwertecken röten, euch Mörder werden die Eiden überwinden!' - Die letzte Strophe wird von Simrock passend den beiden ersten voraufgestellt. Der prosaische Zusatz zu diesem Liede merkt noch an: 'Hier wird gesagt in diesem Liede von dem Tode Sigurds. Und es geht hier so zu, als tödteten sie ihn draussen; aber einige erzählen so, dass sie ihn erschlugen drinnen in seinem Bette, den schlafenden. Aber deutsche Männer sagen so, dass sie ihn erschlugen draussen im Walde. Und so heisst es im alten Gudrunenlied (das zweite), dass Sigurd und Giukis

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