zu bringen verstanden, und in dieser Rücksicht ihre toskanischen, lombardischen und venetianischen Zeitgenossen überragten. (Ital. Forschungen, II. S. 310.) Diesen Ausdruck nun „fleckenloser Seelenreinheit und gänzlicher Hingebung in füßschmerzliche und schwärmerische zärtliche Gefühle" wußte auch Pietro Perugino, der Meister Raphaels, sich anzueignen, und damit die Objektivität und Lebendigkeit der äußeren Gestalten, das Eingehn auf das Wirkliche und Einzelne zu verschmelzen, wie es vornehmlich von den Florentinern war ausgebildet worden. Von Perugino nun, an deffen Geschmack und Styl Raphael in feinen Jugendarbeiten noch gefesselt erscheint, geht Raphael zur vollständigsten Erfüllung jener oben angedeuteten Forderung fort. Bei ihm nämlich vereinigt sich die höchste kirchliche Empfindung für religiöse Kunstaufgaben, so wie die volle Kenntniß und liebereiche Beachtung natürlicher Erscheinungen in der ganzen Lebendigkeit ihrer Farbe und Gestalt mit dem gleichen Sinn für die Schönheit der Antike. Diese große Bewunderung vor der idealischen Schönheit der Alten brachte ihn jedoch nicht etwa zur Nachahmung und aufnehmenden Anwendung der Formen, welche die griechische Skulptur so vollendet ausgebildet hatte, fondern er faßte nur im Allgemeinen das Princip ihrer freien Schönheit auf, die bei ihm nun durch und durch von malerisch individueller Lebendigkeit und tieferer Seele des Ausdrucks, so wie von einer bis dahin den Italienern noch nicht bekannten offenen, heiteren Klarheit und Gründlichkeit der Darstellung durchdrungen war. In der Ausbildung und gleichmäßig verschmelzenden Zusammenfassung dieser Clemente erreichte er den Gipfel feiner Vollendung. - In dem magischen Zauber des Helldunkels, in der seelenvollen Zierlichkeit und Grazie des Gemüths, der Formen, Bewegungen, Gruppirungen ist dagegen Correggio, in dem Reichthum der natürlichen Lebendigkeit, dem leuchtenden Schmelz, der Gluth, Wärme, Kraft des Kolorits Titian noch größer geworden. Es giebt nichts Lieblicheres als Correggio's Naivetät nicht natürlicher, sondern religiöser, geiftiger Anmuth; nichts Süßeres als seine lächelnde, bewußtlose Schönheit und Unschuld. Die malerische Vollendung dieser großen Meister ist eine Höhe der Kunst, wie sie nur einmal von einem Volke in dem Verlauf geschichtlicher Entwickelung kann erstiegen werden. c) Was nun drittens die deutsche Malerei angeht, so können wir die eigentlich deutsche mit der niederländischen zu= sammenstellen. Der allgemeine Unterschied gegen die Italiener besteht hier darin, daß weder die Deutschen noch die Niederländer aus sich felbft zu jenen freien idealen Formen und Ausdrucksweisen hingelangen wollen oder können, denen es ganz entspricht, in die geistige verklärte Schönheit übergegangen zu seyn. Dafür bilden fie aber auf der einen Seite den Ausdruck für die Tiefe der Empfindung und die subjektive Beschlossenheit des Gemüths aus, auf der anderen Seite.bringen sie zu dieser Innigkeit des Glaubens die ausgebreitetere Partikularität des individuellen Charakters hinzu, der nun nicht nur die alleinige innere Beschäftigung mit den Intereffen des Glaubens und Seelenheils kund giebt, sondern auch zeigt, wie sich die dargestellten Individuen auch um die Weltlichkeit bemüht, fich mit den Sorgen des Lebens herumge= schlagen und in dieser schweren Arbeit weltliche Tugenden, Treuc, Beständigkeit, Geradheit, ritterliche Festigkeit und bürgerliche Tüchtigkeit erworben haben. Bei diesem mehr in das Beschränkte versenkten Sinn finden wir zugleich im Gegensah der von Hause aus reineren Formen und Charaktere der Italiener, hier, bei den Deutschen besonders, mehr den Ausdruck einer formellen Halsftarrigkeit widerspenstiger Naturen, welche sich entweder mit der Energie des Trohes und der brutalen Eigenwilligkeit Gott gegenüberstellen, oder sich Gewalt anzuthun genöthigt sind, um sich mit faurer Arbeit aus ihrer Beschränktheit und Rohheit herausreißen und zur religiösen Versöhnung durchkämpfen zu können, so daß nun die tiefen Wunden, die sie ihrem Innern schlagen müssen, noch in dem Ausdruck ihrer Frömmigkeit zum Vorschein kommen. In Rücksicht auf das Nähere will ich nur auf einige Hauptpunkte aufmerksam machen, welche in Betreff der älteren niederländischen Schule im Unterschiede der oberdeutschen und der späteren holländischen Meister des siebenzehnten Jahrhunderts von Wichtigkeit sind. a) Unter den älteren Niederländern ragen besonders die Gebrüder van Ey &, Hubert und Johann, schon im Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts hervor, deren Meisterschaft man erst in neuerer Zeit wieder hat schäßen lernen. Sie werden bekanntlich als die Erfinder, oder wenigstens als die eigentlichen ersten Vollender der Oelmalerei genannt. Bei dem großen Schritte, den sie vorwärts thaten, könnte man nun glauben, daß sich hier von früheren Anfängen her eine Stufenleiter der Bervollkommnung müßte nachweisen lassen. Von solch einem allmäligen Fortschreiten aber find uns keine geschichtlichen Kunstdenkmäler aufbewahrt. Anfang und Vollendung steht bis jeht für uns mit einem Male da. Denn vortrefflicher, als diese Brüder es thaten, kann faft nicht gemalt werden. Außerdem beweisen die übrig gebliebenen Werke, in welchen das Typische bereits bei Seite gestellt und überwunden ift, nicht nur eine große Meisterschaft in Zeichnung, Stellung, Gruppirung, innerer und äußerer Charakteristik, Wärme, Klarheit, Harmonie und Feinheit der Färbung, Großartigkeit und Abgeschlossenheit der Komposition, sondern auch der ganze Reichthum der Malerei in Betreff auf Naturumgebung, architektonisches Beiwerk, Hintergründe, Horizont, Pracht und Mannigfaltigkeit der Stoffe, Kleidung, Art der Waffen, des Schmuckes u. f. f. ist bereits mit solcher Treue, mit so viel Empfindung für das Malerische, und solch einer Virtuofität behandelt, daß selbft die späteren Jahrhunderte, wenigstens von Seiten der Gründlichkeit und Wahrheit, nichts Vollendeteres aufzuzeigen haben. Dennoch werden wir durch die Meisterwerke der italienischen Malerei, wenn wir sie diesen niederländischen gegenüberstellen, mehr angezogen werden, weil die Italiener bei voller Innigkeit und Religiosität die geistreiche Freiheit und Schönheit der Phantasie voraus haben. Die niederländischen Figuren erfreuen zwar auch durch Unschuld, Naivetät und Frömmigkeit, ja in Tiefe des Gemüths übertreffen fie zum Theil die besten Italiener, aber zu der gleichen Schönheit der Form und Freiheit der Seele haben sich die niederländischen Meister nicht zu erheben vermocht, und besonders find ihre Christkinder übel gestaltet, und ihre übrigen Charaktere, Männer und Frauen, wie sehr sie auch innerhalb des religiösen Ausdrucks zugleich eine durch die Tiefe des Glaubens geheiligte Tüchtigkeit in weltlichen Interessen kund geben, würden doch über dieß Frommseyn hinaus, oder vielmehr unter demselben, unbedeutend und gleichsam unfähig erscheinen, in sich frei, phantasievoll und höchft geistreich zu seyn. P) Eine zweite Seite, welche Berücksichtigung verdient, ift der Uebergang aus der ruhigeren, ehrfurchtsvollen Frömmigkeit zur Darstellung von Martern, zum Unschönen der Wirklichkeit überhaupt. Hierin zeichnen sich besonders die oberdeutschen Meister aus, wenn sie in Scenen aus der Passionsgeschichte die Rohheit der Kriegsknechte, die Bosheit des Spottes, die Barbarei des Haffes gegen Chriftus im Verlauf seines Leidens und Sterbens mit großer Energie in Charakteristik der Häßlichkeiten und Mißgeftaltungen hervorkehren, welche als äußere Formen der inneren Verworfenheit des Herzens entsprechend sind. Die ftille schöne Wirkung ruhiger, inniger Frömmigkeit ist zurückgefeßt, und bei der Bewegtheit, welche die genannten Situationen vorschreiben, wird zu scheußlichen Verzerrungen, Gebehrden der Wildheit und Zügellosigkeit der Leidenschaften fortgegangen. Bei der Fülle der durcheinandertreibenden Ecftalten und der überwiegenden Rohheit der Charaktere fehlt es solchen Gemälden auch leicht an innerer Harmonie, sowohl der Komposition als auch der Färbung, so daß man besonders beim ersten Wiederaufleben des Geschmacks an älterer deutscher Malerei, bei der im Ganzen geringeren Vollendung der Technik viele Verstöße in Rücksicht auf die Entstehungszeit solcher Werke gemacht hat. Man hielt fie für älter als die vollendeteren Gemälde der cyckischen Epoche, während sie doch größtentheils in eine spätere Zeit fallen. Jedoch find die oberdeutschen Meister nicht etwa bei diesen Darstellungen ausschließlich stehen geblieben, sondern haben gleichfalls die mannigfaltigften religiösen Gegenstände behandelt, und sich auch in Situationen der Passionsgeschichte, wie Albrecht Dürer z. B., dem Extrem der bloßen Rohheit, fiegreich zu entwinden verftanden, indem sie sich auch für dergleichen Aufgaben einen inneren. Adel und eine äußere Abgeschlossenheit und Freiheit bewahrten. 7) Das Leyte nun, wozu es die deutsche und niederländische Kunft bringt, ist das gänzliche Sicheinleben ins Weltliche und Tägliche, und das damit verbundene Auseinandertreten der Malerei in die verschiedenartigsten Darstellungsarten, welche sich sowohl in Rücksicht des Inhalts, als auch in Betreff der Behandlung von einander scheiden und einseitig ausbilden. Schon in der italienischen Malerei macht sich der Fortgang bemerkbar von der einfachen Herrlichkeit der Andacht zu immer hervortretenderer Weltlichkeit, die hier aber, wie z. B. bei Raphael, Theils von Religiosität durchdrungen, Theils von dem Princip antiker Schönheit begrenzt und zusammengehalten bleibt, während der spätere Verlauf weniger ein Auseinandergehn in die Darstellung von Gegenftänden aller Art am Leitfaden des Kolorits ist, als ein oberfläch licheres Zerfahren oder eklektisches Nachbilden der Formen und Malweisen. Die deutsche und niederländische Kunst dagegen hat am bestimmtesten und auffallendsten den ganzen Kreis des Inhalts und der Behandlungsarten durchlaufen; von den ganz tra ditionellen Kirchenbildern, einzelnen Figuren und Bruftbildern an, zu finnigen, frommen, andächtigen Darstellungen hinüber, bis zur Belebung und Ausdehnung derselben in größeren Kompositionen und Scenen, in welchen aber die freie Charakterisirung der Figu |