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erfeßt. Dieser Wechsel brachte für Frankfurt nichts Erfreuliches. Der neue Feldherr verlangte sogleich einen Kriegskostenbeitrag von 25 Millionen Gulden, welche Summe binnen 24 Stunden gezahlt werden sollte, und außerdem noch verschiedene Lieferungen für die Armee. Die städtischen Behörden erklärten sich außer stande, diese für eine Stadt ungeheure Summe aufzubringen. Wegen dieser Weigerung wurde den Senatoren und Mitgliedern des gefeßgebenden Körpers zur Strafe Einquartierung in die Häuser gelegt. Es wurden die schlimmsten Gerüchte von Strafen, welche über die Stadt verhängt werden sollten, verbreitet und ge= glaubt. Man sprach sogar von einer Beschießung oder Aushungerung der Stadt und beeilte sich mit fieberhafter Haft, Lebensmittel, insbesondere Salz, anzukaufen. Der seitherige erste Bürgermeister, Dr. Fellner, geriet in solche Bedrängnis, daß er, um nicht bei den harten Forderungen der Militärbehörden mitwirken zu müssen, Hand an sein eigenes Leben legte. Man fand ihn am Morgen des 24. Juli tot in seinem Zimmer. Darauf wurde der Landrat von Madai an die Spiße der städtischen Verwaltung gestellt, und von nun an nahm alles eine friedlichere Wendung. Von den geforderten 25 Millionen wurde nicht mehr gesprochen, da nunmehr die Einverleibung der Stadt in die preußische Monarchie feststand.

Am 19. August wurde die oberste Leitung der Stadt aus den Händen der Militärverwaltung genommen und in die des Civil-Gouverneurs von Patow gelegt. Nachdem die gefeßlichen Formalitäten erfüllt waren, wurde - wie es auch mit Nassau, Hannover und Kurhessen geschah am 8. Oktober die Besißergreifung Frankfurts vollzogen. Das hierbei im Kaisersaale auf dem Römer verlesene

Königliche Patent beginnt mit den Worten: „Nachdem infolge eines von Österreich und seinen Bundesgenossen begonnenen, von Uns in gerechter Abwehr siegreich geführten Krieges die freie Stadt Frankfurt von Uns beset worden ist, so haben Wir beschlossen, diese mit Unserer Monarchie zu vereinigen, und zu diesem Behufe mit Zustimmung beider Häuser des Landtags das Gesez vom 20. September erlassen und verkündigt." In der ebenfalls verlesenen Königlichen Proklamation an die Bewohner Frankfurts, wird die geschichtliche Notwendigkeit als Hauptgrund der Einverleibung bezeichnet und betont, daß nur Deutschland gewonnen habe, was Preußen erworben.

Später nach Auseinanderseßung des städtischen und staatlichen Vermögens wurden der Stadt auch die 6 Millionen zurückerstattet.

An dem Kriege von 1870-71, dessen schönste Folge die Wiedererstehung des deutschen Reiches war, beteiligten sich auch die Söhne Frankfurts in nicht weniger ehrenvoller Weise als das übrige deutsche Volk. Wie so mancher deutsche Krieger, so starben auch 42 Frankfurter den Tod fürs Vaterland auf dem Schlachtfelde oder infolge von Wunden und Strapazen. Zu ihrem Andenken wurde durch freiwillige Beiträge das Kriegerdenkmal auf dem Peterskirchhofe errichtet, welches von dem Frankfurter Künstler Eckhard ausgeführt und am 10. Mai (dem Friedenstage) 1878 enthüllt wurde. An werkthätiger Teilnahme an dem Schicksale der Verwundeten ließ es die Bevölkerung Frankfurts nicht fehlen. Es bildete sich hier ein Zweigverein des großen vaterländischen Frauenvereins zur Pflege im Felde verwundeter und erkrankter Krieger. In den Baracken-Lazaretten auf der Pfingstweide fand eine große Anzahl kranker

Krieger, Franzosen wie Deutsche, die hingebendste Pflege und viele ihre Heilung. Doch zeigen auch die Reihengräber auf dem neuen Sachsenhäuser Friedhofe, wie viele damals ihren Wunden und Krankheiten erlegen sind. In finniger Weise wurde jedesmal, seitdem der 2. September als Sedantag festlich begangen wird, gerade dort eine würdige Feier veranstaltet, wobei sämtliche Gräber geschmückt wurden. *)

Ein kriegerisches Ereignis im kleinen Maßstabe war der am 21. April 1873 (am fog. Nickelchestage) in unserer Stadt ausgebrochene „Bierkrawall." Wegen Erhöhung des Bierpreises von 4 Kreuzer (1 Bazen) auf 411⁄2 Kreuzer erfolgten Zusammenrottungen und sodann gewaltsames Eindringen in die Bierlokale der Hauptbrauereien, woselbst alles zerschlagen wurde. Auch wurden einige Läden geplündert, z. B. in der Fahrgasse. Hier mußte Militär einschreiten, um dem Tumult ein Ende zu machen. Da das Militär mit Steinen beworfen wurde, so wurde scharf gefeuert, wodurch leider mehrere Menschen getötet oder verwundet wurden. Zur gänzlichen Herstellung der Ruhe rückte Militär aus den Nachbarstädten ein. Viele bei den Unruhen Beteiligte (sog. „Babenbiermacher") wurden zu schweren Strafen verurteilt.

Leider mußte das Kapitel über Kriegsbedrängnisse das längste dieses Buches werden. Mögen die künftigen Geschlechter sich immer mehr der Segnungen des Friedens erfreuen!

*) Im Herbst 1881 errichtete die französische Kolonie in unserer Stadt ihren auf dem Sachsenhäuser Friedhofe ruhenden Landsleuten ein Denkmal, bei deffen Enthüllung auch deutsche Offiziere zugegen waren. Einer der officiell anwesenden Generale that den denkwürdigen Ausspruch: Gleichwie diese Krieger, Deutsche und Franzosen, friedlich neben einander ruhen, so mögen auch die beiden Völker friedlich neben einander wohnen.“

X.

Frankfurts geschichtliche Bedeutung für
Deutschland.

Ein bedeutender Frankfurter, der schon erwähnte Dr. Feyerlein, nennt Frankfurts größtes Glück seine geographische Lage.*) Hier kreuzten sich in früherer Zeit die Hauptverkehrsstraßen, wie jezt die wichtigsten Eisenbahnen Deutschlands.**) Wie nun Frankfurt sozusagen im` Herzen Deutschlands liegt, so knüpfen sich an unsere Stadt auch die wichtigsten Momente der deutschen Geschichte. Diese Bedeutung Frankfurts beginnt schon mit seiner Gründung als Stadt. Hier verweilten Karl der Große und seine

*) Hinsichtlich des Verkehrs bezeichnet der berühmte Geograph E. von Sydow (Behm's geogr. Jahrb. II. 142) die Lage von Frankfurt folgendermaßen: „Man kann dieses Frankfurter Becken einem Centralbahnhofe vergleichen, welcher die Schienenwege sammelt aus Heffen, aus Franken und Schwaben, aus dem Elsaß, der Rheinpfalz und Lothringen, vom Ober- und Niederrhein; es ist ebenso der wichtigste strategische Stüßpunkt für die Verteidigung der deutschen Westgrenze, als das verlockendste Ziel für einen Angriff von Westen her."

**) So behauptete denn auch Frankfurt an Größe und Ansehen einen hohen Rang unter den deutschen Städten. Im Jahre 1471 hatte es unter den 80 Reichsstädten nur 6 über sich, wie es noch gegenwärtig den 9. Plak unter Deutschlands Städten einnimmt.

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Nachfolger, die Karolinger, mit besonderer Vorliebe. Hierher berief Karl der Große 794 eine Kirchenversammlung, hierher 822 sein Sohn, Ludwig der Fromme, den ersten großen Reichstag. Nachdem 843 das große Frankenreich unter die Söhne Ludwigs des Frommen Lothar, Karl den Kahlen *) und Ludwig den Deutschen geteilt wor= den war, wurde Frankfurt im vollen Sinne die Hauptstadt des deutschen Frankens: Deutschlands. Die nachfolgenden karolingischen Könige brachten einen großen Teil des Jahres in ihrem hiesigen Saalhofe zu. Hier starben 876 Ludwig der Deutsche und 884 dessen Sohn Ludwig III. Unter den folgenden Kaisern hörte Frankfurt auf, eigentliche Hofstadt zu sein; doch brachten alle deutschen Kaiser mit Ausnahme Lothars von Sachsen (1125-1137) kürzere oder längere Zeit in Frankfurt zu. So zeichnete sich denn auch umgekehrt Frankfurt stets durch seine Treue gegen die rechtmäßig gewählten Kaiser aus, soviel auch von widerspenstigen weltlichen oder geistlichen Fürsten gegen sie agitiert werden mochte. Diese Treue erfuhren besonders Heinrich IV., Adolf von Nassau, Ludwig der Bayer, Günther von Schwarzburg, Karl V., ja selbst Wenzel der „Faule“. Nachdem der Saalhof zerfallen war, stiegen die Kaiser meistens im deutschen Hause ab. In den alten Chroniken führt Frankfurt den Titel: „,sedes principalis regni orientalis" die Hauptstadt des östlichen Frankenreiches". Später erhielt Frankfurt den Ehrennamen „specialis domus imperii“, „des Reiches Sondergut" oder nach anderer Meinung ein besonders ausersehener Siß des Reiches". Im Range wurde es bei Maximilians I. Krönung dem mächtigen Nürnberg

*) Der hier im Saalhof geboren wurde.

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