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Kehrichthaufen den nicht mehr zu verlegenden Enden der Ablagerungsplätze immer näher rückten. Die Vorarbeiten

Die kritische Verarbeitung der eigenen Erfahrungen gab die zu entscheidenden Schritten nötige Sicher

Abb. 1

Davos mit Laret. 1. Bahnhof Davos-Platz. 2. Bahnhof Davos-Dorf. 3. Verbrennungsanstalt Laret.

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heit nicht. Dazu konnte auch das Studium der in Betracht kommenden Literatur nicht hinreichen. Vielmehr eröffnete es den Einblick in ein nicht abgeklärtes Gebiet, auf dem Fachleute noch nicht einmal grundsätzlich, in Einzelheiten schon gar nicht einig waren. Das Gutachten eines Sachverständigen,

der interessante Verkehr mit den Fachmännern konkurrierender Lieferfirmen und Studienreisen nach Orten mit verbessertem und vorbildlichem Abfuhrwesen kamen hinzu. Vor allem wurde klar, daß für die Lösung der Kehrichtfrage ein Schema nicht denkbar ist. Zu glauben, was hier gut und richtig sci, müsse es überall sein, wäre nirgends verfehlter als in Sachen des Abfuhrwesens. Die örtlichen Verhältnisse diktieren unter allen Umständen. Für Davos mußte bedingungslos eine hygienisch einwandfreie Beseitigung des Kehrichts verlangt werden. Demnach war die Abfuhr gründlich zu verbessern und durfte die Ablagerung in der Nähe von Wohnungen oder Straßen nicht mehr stattfinden. Sortierung und Verwertung konnten auch nicht in Frage kommen. Uebrigens zeigten sich die damit verbundenen Unkosten selbst in größten Betrieben höher als der Ertrag. Bei einem Anfall von 10 000 kg trat demnach die Versuchung, vom Unrat die verwertbaren Teile auszusondern, gar nicht ein. Daß die aufgestellte Forderung zur Reinigung der Tonnen und eventuell der Sammelkasten zwang, ist selbstverständlich und kam erwünscht.

Nun gibt es verbesserte Umfüllungssysteme, die mehr als nur lokale Bedeutung erhalten haben. Einige sind patentiert und fertig käuflich. Zu ihrer Anwendung bedarf es besonderer Sammelwagen und einheitlicher Gefäße, beide mit mehr oder weniger komplizierten Vorrichtungen zwecks möglichst staubfreier Umschüttung. Man ist mit solchen vielerorts zufrieden und sie mögen bei gründlicher Durchführung und nicht ungewöhnlichen Ansprüchen genügen. Aber auch das beste Umfüllsystem hat seine Unvollkommenheiten.

Die Kehrichtgefäße und Sammelkasten werden nie oder nur ausnahmsweise gereinigt. Dieser Uebelstand liegt nicht im System selbst, ist aber überall damit verbunden. Das Nachhelfen der Abfuhrleute mit den Händen beim Umfüllen ist nicht unbedingt ausgeschlossen. Staubentwicklung trotz Patenten und gegenteiligen Theorien ebenso wenig. Bei klebendem oder angefrorenem Inhalt sind unsaubere Manipulationen gar nicht zu vermeiden. Die Mechanismen an den Deckeln der Wagen und Gefäße sind starker Abnutzung ausgesetzt. Deren Funktion ist daher und besonders bei den für Davos in Betracht fallenden Wintertemperaturen nicht genügend gesichert. Demnach konnte ein Umfüllsystem nicht. genügen, das keines hygienisch wirklich einwandfrei ist.

Das Umfüllen des Kehrichts und alle damit zusammenhängenden Uebelstände sind beim Wechsel-. tonnensystem vermieden. Es besteht darin, daß. die Abfuhrleute die gefüllten Kehrichtgefäße, Tonnen genannt, bei den Häusern mit entleerten auswechseln und abführen. Da auf diese Weise die Kehrichtgefäße, die zugleich dem Transport dienen, am Bestimmungsorte zusammenkommen, ist die Reinigung derselben und die Schaffung der dazu nötigen Einrichtungen naheliegend.

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April 1917

Die Lösung der Kehrichtfrage im Kurort Davos

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Gegen dieses System erhob sich der Einwand, daß es hohe Kosten und Mitführung toten Gewichtes verursache. Das erwies sich als unbegründet. Statt der Spezialwagen mit Patentkasten sind gewöhnliche Brückenwagen (in deutschen Berichten finden sich die Ausdrücke Plateauwagen und Rollwagen) einfachster Konstruktion nötig, die nur den vierten Teil kosten. Die Wechseltonnen, einfache zylindrische Gefäße, kosten bei gleicher Größe und Materialstärke nicht mehr als Spezial-Umfüllgefäße. Sie sind dem Verschleiß weniger ausgesetzt, da jeder Mechanismus fehlt.

Ein Spezialkasten für 1 cbm Inhalt wiegt 125 kg, zehn Tonnen für je 1001 Inhalt 170 kg. Der Gewichtsunterschied der Fassung beträgt somit pro cbm Kehricht 45 kg, oder pro Einspänner etwa 80, pro Zweispänner etwa 160 kg. Deswegen wird die Abfuhr nicht teurer, da selbst bei einer Lademöglichkeit von 2 cbm pro Pferd ein totales Maximalgewicht von 1140 kg noch nicht überschritten würde. Daß die erforderlichen

einfachen Wagen wesentlich

leichter sind als Spezialwagen, soll gar nicht angerechnet werden.

Endlich wickelt sich auch die Arbeit des Auswechselns leichter und schneller ab als die des Umfüllens, da zwischen Sammelwagen und Haus nur ein Gang nötig ist und weitere Arbeit wegfällt. Die Städte Kiel, Dortmund, Goslar und andere hatten das Wechseltonnensystem eingeführt. Kiel zählte beim Beginn der Neuerung im Jahre 1906 schon 166 000 Einwohner und hatte einen Anfall von 160 cbm Kehricht im Tag. Das Studium der dortigen Verhältnisse, gerade auch mit Bezug auf die Reinigung der KehrichtAuch Dortmund mit tonnen, befriedigte vollauf.

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Abb. 3. Abfuhr mit Wagen

Abb. 4. Transport zum Wagen

einem Anfall von etwa 200 cbm hat täglich über 2000 Tonnen auszuwechseln. Der Weg lag also klar: Abfuhr mit Wechseltonnen, Vernichtung durch Feuer. Die Lösung

A. Die Grundlagen

Der Lösung diente als erste Grundlage ein Gemeindegesetz, welches nach Abschluß der Vorarbeiten entworfen und durch Beschluß der Landgemeinde am 2. März 1913 in Kraft gesetzt wurde. Durch Bestimmungen über Art der Abfuhr und Beseitigung des Kehrichts, öffentliche Beiträge und Taxen ordnet es die ganze Unternehmung nach der finanziellen und sanitätspolizeilichen Seite.

Die weiteren Schritte mußten sich nach der Placierung der Verbrennungsanstalt richten und dank dem Entgegenkommen der Gaswerke Davos A.-G. war eine günstige Lösung möglich. Die Gasfabrik steht in Davos-Laret (Abb. 1, 7) und ist mit der Station durch Anschlußgleise verbunden. Die Bahnstrecke von Platz weg beträgt 9 km. Die Angliederung der Kehricht verbrennungsanlage bot eine Reihe von Vorteilen und keine Schwierigkeiten. Außer den Oefen und der speziellen Maschinerie waren nur. einige bauliche Erweiterungen nötig. Das ergab gegenüber einer selbständigen Anlage eine Verminderung der Kosten von etwa 50 000 fr und schätzbare Vorteile für den Betrieb. Da gab es kein Zaudern. B. Die Kehrichtabfuhr mit Wechseltonnen Für die Form der Tonnen konnte nicht die Ausnutzung der Ladefläche beim Transport, sondern nur die Haltbarkeit, die leichte Entleerung und Reinigung maßgebend sein. Nach allen drei Gesichtspunkten war die runde Grundform der viereckigen vorzuziehen, nach den zwei letzteren die leicht konische der zylindrischen. Ein Gefäß aus starkem Eisenblech, auf Profileisen montiert, mit unten 39, oben 41 cm Durchmesser und 80 cm Höhe, somit 100 1 fassend, autogen geschweißt und im Vollbad verzinkt, wurde gewählt. Es wiegt 17 kg.

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Abb 5. Verladen in den Bahnwagen

Abb. 2 zeigt Wechseltonnen an verschiedenen Standorten. Für den Transport zu den Bahnhöfen wurden einfachste, tunlichst niedere, einspännige Wagen und Schlitten gebaut. Das Geschäft des Auswechselns und der Transport sowohl im Sommer als im Winter sind in den Abb. 3, 4 und 6 dargestellt. Die Fuhrwerke gewisser Zonen führen eine Art von Sackkarren (oder -schlitten) bei sich, womit der Kehrichtmann die Tonnen auch auf für Fuhrwerk nicht fahrbaren Wegen befördert, während der Fahrer beim Pferde bleibt (Abb. 3). Auf den Abbildungen sind über den obern Rand der Tonnen gestülpte Ringe sichtbar. Sie wurden zwecks Milderung des Lärms der leeren Tonnen aus alten Hanfschläuchen angefertigt. Ein Gefährt ist für 18 Tonnen, also 1,8 ebm oder 1026 kg, eingerichtet.

An den Bahnhöfen von Platz und Dorf steht je ein L1-Wagen (Schmalspurbahn), die in zwei Lagen je 150, zusammen also 300 Tonnen oder 30 cbm, auf

Abb. 7. Das Davoser Gaswerk in Laret

nehmen können. Das Verladen geschieht ohne jede Schwierigkeit von Hand (Abb. 5 und 7). Auch in der Verbrennungsanlage sind Kräne und Laufkatzen überflüssig.

Die Kosten werden durch Berechnung pro abgeführtes Gefäß in geradem Verhältnis zur Beanspruchung verteilt. Näheres ist aus dem Tarif (s. Seite 70) ersichtlich.

Verzeichnis der Preise Die Abfuhr wird nur im Abonnement ausgeführt, in der Meinung, daß Abonnements für das ungefähre Jahresquantum ausgegeben werden. Die Abonnements sind längstens 18 Monate gültig und werden jederzeit bei Ablauf erneuert. Sie sind am gleichen Orte unter Mitteilung an die Abfuhranstalt auf Geschäftsnachfolger übertragbar. In einem Hause können mehrere Haushaltungen oder Geschäfte zusammen ein Abonnement nehmen, wenn ein Beteiligter die Bezahlung übernimmt, so daß nur eine Rechnung geführt werden muß. Die Abonnements sind im voraus zahlbar. Im Preis sind inbegriffen: Abfuhr und Vernichtung des Mülls, Rücktransport und Austausch der Tonnen, sowie Lieferung, Instandhaltung, Ersatz und Reinigung derselben. Dem Abonnenten werden für das Abonnement Nr. 1 50, Nr. 2 100, Nr. 3 159 usw. Blechmarken gegeben und die Abfuhrleute haben pro abgeführte Tonne eine Blechmarke einzuziehen. Eiserne Kochgeschirre und Blechgefäße aller Art, die in einer Richtung mehr als 20 cm messen, sind in sauberem Zustande gesondert bereit zu halten und werden kostenlos abgeholt. Die vorstehenden Bestimmungen sind bis auf weiteres gültig. Ganze oder teilweise Abänderung bleibt vorbehalten.

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Die Anlagekosten für das Wechseltonnensystem hängen im wesentlichen von der Zahl der Tonnen ab. Diese richtet sich nicht nur nach der zur Aufstellung bei den Abonnenten oder Anschlußnehmern nötigen Anzahl, sondern auch nach dem Tagesquantum und den Transport verhältnissen. Ein zusammenfassender Ueberblick der wesentlichsten Merkmale und Vorteile der in Davos eingerichteten Kehrichtabfuhr mit Wechseltonnen zeigt folgendes: 1. Hygienisch einwandfrei, gute Ordnung. Umfüllen des Kehrichts mit den nicht zu vermeidenden unhygienischen und

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unästhetischen Begleiterscheinungen ist vermieden. Ebenso überfüllte Kehrichttonnen und entsprechende Unordnung.

Die Kehrichttonnen werden von der Verwaltung angeschafft, unterhalten und gereinigt. Da sie zugleich dem Transport dienen, ist mit ihrer Reinigung alles besorgt.

Fuhrwerk und Abfuhrleute sind sauber.

2. Einfache Manipulation. Sie stellt an den Intellekt der Abfuhrleute geringste Anforderung. Die Transporteinheit wiegt durchschnittlich weniger als 60 kg.

3. Eillig in Anlage und Betrieb. Das Abfuhr-
geschäft und die Reinigung der Tonnen vollziehen
sich einfach und rasch.

Spezielle und maschinelle Einrichtungen für das
Sammeln und die Beförderung bis zur Ofenzelle
fallen weg. Die Kosten für die
Spülanlage in der Verbren-
nungsanstalt sind dagegen ohne
Belang.

4. Vorteilhaft für die Ver-
brennung. Das Beschickungs-
quantum kann den jeweiligen
Verhältnissen entsprechend ab-
gestuft werden und auch nach
Qualität ist eine relative Aus-
wahl möglich.

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Abb. 6. Abfuhr mit Schlitten

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Abb. 9. Außenansicht der Verbrennungsanstalt. Bahnwagen, Abstellbühne, Eingang zum Ofen

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Abb. 10.

Entleeren der Tonne in den Beschickungsapparat

180 261 336 486 624 750

der Gaswerks-Ofenhalle gebildet und die benachbarte ehemalige Werkstätte als Maschinenhaus ausgebaut. Neben dem Kohlenschuppen, im direkten Bereich des Zufahrtsgleises zur Rhätischen Bahn, wurde die Abstellbühne errichtet.

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b) Technische Beschreibung

Die jeweilen nachmittags in zwei Bahnwagen ankommenden Kehrichttonnen werden auf die Abstellbühne ausgeladen. Gleichzeitig werden die inzwischen entleerten Tonnen des vorhergehenden Tages in die Wagen verladen und diese mit dem letzten Abendzug nach Davos zurückspediert. Die frisch angekommenen Tonnen bleiben dann bis andern Tags früh auf der Abstellbühne stehen. Von hier aus gelangen die Kehrichttonnen mit Hilfe des Rollwagens 3 über die Brücke auf den Beschickungsboden 5 des Ofenhauses (Abb. 9). Hier werden sie vermittelst einer Staubentwicklung verhütenden Vorrichtung in den Beschickungsapparat 6 entleert und alsdann sofort in der Waschmaschine mit siedend heißem Wasser gereinigt, worauf sie auf der Abstellbühne bis zur Rückspedition gelagert werden. Das Entleeren der Tonnen ist aus Abb. 10 ersichtlich. Allfällig in den Tonnen festgefrorener Kehricht taut während der Bereit haltung auf dem Beschickungsboden auf. (Schluß f.)

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