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Objective in Hinsicht auf die dioptrische Wirkung entgegengestanden hat.

Es ist nicht schwer, den letzten Grund bestimmt anzugeben, aus welchem dieser Mangel entspringt. Die Unmöglichkeit, jene chromatischen Differenzen der sphärischen Aberration zu beseitigen, wurzelt in dem Umstand, dass bei den heute vorliegenden Glasarten, Crowngläsern und Flintgläsern, die Dispersion mit dem mittleren Brechungsindex immer Hand in Hand geht, in der Art, dass dem höheren Index (bis auf ganz geringe Abweichungen) auch stets die höhere Dispersion zugehört, und umgekehrt. Die erwähnten Aberrationen würden vollkommen oder wenigstens annähernd zu compensiren sein, wenn es optisch verwendbare Materialien gäbe, bei welchen ein relativ niedriger Brechungsindex mit einer hohen Dispersion oder ein hoher Brechungsindex mit einer relativ geringen Dispersion verbunden wäre. Es würde alsdann möglich sein, durch geeignete Combination eines solchen Materials mit dem gewöhnlichen Crown und Flint die chromatische und die sphärische Aberration zum Theil unabhängig von einander aufzuheben und damit die wesentliche Bedingung zu erfüllen, von welcher die Beseitigung der chromatischen Differenz sich abhängig zeigt 1).

Die hier gegebene Erörterung führt zu dem Schluss: dass die Mängel der heutigen Mikroskopobjective in beiden Beziehungen, sowohl was die chromatische als was die sphärische Abweichung betrifft, ihren Grund haben in den optischen Eigenschaften der Substanzen, auf welche die Optik zur Zeit angewiesen ist. Die fernere Vervollkommnung des Mikroskops 2) im Punkte der dioptrischen Wirkung erscheint demnach hauptsächlich auf die Fortschritte der Glasschmelzekunst gestellt und im Besonderen davon abhängig, dass letztere optisch verwendbare Glasarten herstellt, bei denen der Gang der Farbenzerstreuung einer Aufhebung des sogenannten secundären Spectrums günstiger ist und bei welchen Dispersion und mittlerer Brechungsindex ein anderes Verhältniss zu einander, als bei den jetzigen Glasarten, zeigen.

Die Hoffnung nun, dass solchen Ansprüchen in einer näheren oder ferneren Zukunft einmal genügt und damit für das Mikroskop, wie auch für die anderen optischen Instrumente, die Bahn einer wesentlichen Vervollkommnung eröffnet werden möchte, darf sich auf ganz bestimmte

1) Dass bei Fernrohrobjectiven die chromatische Differenz der sphärischen Abweichung auch mit den gewöhnlichen Glasarten durch eine besondere Vertheilung der Krümmungen gehoben werden kann, hat Gauss gezeigt. Es unterliegt jedoch keinem Zweifel, dass diese Methode, welche schon beim Fernrohrobjectiv zu entschieden ungünstigen Constructionen führt, völlig unanwendbar ist, sobald es sich um Linsensysteme vom Oeffnungswinkel der Mikroskopobjective handelt.

2) Das Gleiche gilt mehr oder minder auch für das Fernrohr und für die photographische Camera.

Londoner Ausstellung wissenschaftlicher Apparate.

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Thatsachen stützen. Die Art, wie in den jetzt vorliegenden Glasarten die Merkmale der Lichtbrechung und der Farbenzerstreuung auftreten, braucht keineswegs als eine Naturnothwendigkeit angesehen zu werden. Denn es giebt unter den natürlichen Mineralien wie unter den künstlich dargestellten chemischen Verbindungen durchsichtige Substanzen genug, welche wesentlich abweichende Eigenschaften in Bezug auf Brechung und Dispersion darbieten, nur dass sie anderer Rücksichten wegen für die Optik nicht wohl verwendbar sind. Auch haben Versuche zur Herstellung von Glasflüssen mit geringerer secundärer Dispersion, welche vor mehreren Jahren in England unter Leitung von Stokes unternommen wurden, obwohl sie für die Praxis resultatlos geblieben sind, beachtenswerthe Winke über die specifische Wirkung gewisser Basen und Säuren auf die Lichtbrechung ergeben. Die Einförmigkeit, welche gegenwärtig die Glasarten in ihren optischen Eigenschaften zeigen, dürfte also wohl vorwiegend darin begründet sein, das die Glasfabrikation bis jetzt nur eine geringe Zahl von Materialien Kieselsäure, Alkali, Kalkerde und Blei kaum andere als etwa noch Thonerde und Thallium für die Herstellung der optischen Glasflüsse in Gebrauch genommen hat; und man wird mit einiger Zuversicht auf eine grössere Mannigfaltigkeit der Erzeugnisse rechnen können, wofern einmal die Glasschmelzekunst, geleitet von einem methodischen Studium der optischen Merkmale vieler chemischer Elemente in ihren Verbindungen, aus diesem engen Kreise herausgetreten sein wird.

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ausser

Leider scheint, so wie die Verhältnisse gegenwärtig liegen, wenig Hoffnung, dass schon die nächste Zukunft nennenswerthe Fortschritte in dieser Richtung bringen werde. Die Erwägung der hier vorliegenden Aussichten weist auf eine Sachlage hin, die für viele wissenschaftliche Interessen im Gegentheil ernstliche Gefahren einschliesst. Die Fabrikation der optischen Glasarten ist seit längerer Zeit nicht mehr sehr entfernt von einer Art Monopolisirung, wenigstens ist diese Kunst in der Hand von so Wenigen, dass von einer eigentlichen Concurrenz kaum die Rede sein kann. Seit die Daguet'sche Glasschmelze eingegangen ist, giebt es überhaupt nur noch zwei Institute dieser Art, welche für den allgemeinen Bedarf arbeiten, da das dritte, von Utzschneider & Fraunhofer gegründete, das einzige in Deutschland ausschliesslich im Dienste einer optischen Werkstatt geblieben ist.

Nun hat allerdings diese Kunst, wie man anerkennen muss, auch innerhalb der letzten Jahrzehnte in mehreren Rücksichten sehr bedeutende Fortschritte gemacht. Nicht nur werden jetzt die gewöhnlichen Arten des Crown- und Flintglases in Hinsicht auf Reinheit, Homogenität und Farblosigkeit in einer früher nicht erreichten Vollkommenheit geliefert, es hat auch die Reihe der optisch verwendbaren Glasarten nach der einen Seite hin eine wichtige Erweiterung erfahren durch die

Herstellung von Flintgläsern, welche die älteren in der Höhe der Lichtbrechung und der Dispersion bedeutend übertreffen. Diese Fortschritte liegen aber durchaus auf dem Wege einer überkommenen Tradition. Darüber hinauszugehen und die praktische Optik durch Materialien mit neuen Eigenschaften zu bereichern, hat die Glastechnik augenscheinlich nicht unternommen, und bei dem Mangel einer ernstlichen Concurrenz bietet das geschäftliche Interesse den Inhabern dieser Technik auch schwerlich einen besonderen Antrieb, Ziele zu verfolgen, welche nicht sichere Vortheile in Aussicht stellen. Bedenkt man nun noch ausserdem, wie misslich es an sich schon ist, dass eine so wichtige, für viele Wissenschaften ganz unentbehrliche Industrie so zu sagen wenigen Augen steht und dass unter solchen Umständen unglückliche Zwischenfälle selbst ihren gesicherten Fortbestand in Frage stellen und eine ernstliche Calamität hervorrufen könnten, so muss es für die Optik und für Alles, was mit deren Interessen Berührung hat, als eine Lebensfrage erscheinen, dass in der Zukunft jenem Arbeitsfelde eine grössere Zahl von Kräften zugeführt und damit zugleich ein lebhafterer Wettstreit, ein stärkerer Antrieb zum Fortschritt auf demselben, hervorgerufen werde.

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Man wird schwerlich darauf rechnen dürfen, dass die Privatinitiative ohne einen kräftigen äussern Impuls diesem Bedürfniss wirksam genügen werde, bevor noch die Situation viel ungünstiger geworden ist. Unternehmungen solcher Art sind mit so grossen Schwierigkeiten verknüpft, machen so bedeutenden materiellen Aufwand nöthig, und ihr Erfolg steht, selbst im günstigen Falle, so sehr in der Ferne, dass sie auch für unternehmende Leute wenig Verlockendes haben können. Ein grösserer Aufschwung der in Rede stehenden Industrie wird vielmehr kaum anders als dadurch zu erwarten sein, dass für ihre Förderung öffentliche Mittel, sei es durch Corporationen, sei es von Seiten eines Staates, in ausgiebiger Weise in Bewegung gesetzt werden.

Es dürfte hier ein Feld sein, auf welchem namentlich gelehrte Körperschaften, welche in der Lage sind, wissenschaftliche Bedürfnisse durch materielle Hülfe zu fördern, eine in hohem Grade erspriessliche und dankbare Aufgabe erfüllen könnten. Denn von der Glastechnik, von ihrer dauernden Leistungsfähigkeit und ihrem weiteren Fortschreiten, sind grosse und mannigfache Interessen abhängig. Es ist keineswegs die Mikroskopie allein, die hier in Betracht kommt; in gleichem Grade sind dabei alle Wissenschaften und Künste betheiligt, welche auf die Benutzung optischer Hülfsmittel angewiesen sind.

Der Rückblick auf den ganzen letzten Abschnitt dieser Discussion über die Mittel und Wege für eine zukünftige Vervollkommnung des Mikroskops zeigt eine wesentlich günstigere Perspective, als die vorhergehende Betrachtung. In Betreff derjenigen Momente in der Lei

stung des Mikroskops, welche in der dioptrischen Function der Linsensysteme wurzeln, darf von der Zukunft eine fortschreitende Verbesserung des Instrumentes in wichtigen Punkten erwartet werden. Die Schwierigkeiten, welche gegenwärtig und vielleicht auch noch für längere Zeit dem weiteren Fortschritt entgegenstehen, brauchen jedenfalls nicht als unüberwindliche angesehen zu werden.

Hier ist denn das eigentliche Feld, auf welchem die optische Kunst fernere Erfolge zu erreichen hoffen kann. Es ist gewiss noch nicht das letzte Wort gesprochen über die zweckmässigste und vortheilhafteste Verwendung der Hülfsmittel, welche für die Lösung der hier vorliegenden Aufgaben in Betracht kommen, weder von Seiten der theoretischen Dioptrik noch von Seiten derjenigen technischen Künste, die an den Arbeiten des Optikers mitzuwirken haben. Die Theorie kann, durch eine fortschreitende Vertiefung in die dioptrischen Probleme, mit der Zeit auf neue Methoden hinweisen, um die Mängel der Farbenzerstreuung und der sphärischen Aberration in Linsensystemen wirksamer, als es jetzt gelingt, zu beseitigen, die optische Technik kann durch Vervollkommnung und Verfeinerung ihrer Arbeitsmethoden und ihrer Werkzeuge eine weiter gehende Annäherung an die mathematisch genauen Formen, welche die Theorie zu realisiren fordert, möglich machen, und die Hülfsindustrie der praktischen Optik, die Glasschmelzekunst, kann möglicher Weise in der Zukunft an Stelle der jetzt verwendbaren Glasarten neue Materialien erzeugen, welche in ihren optischen Eigenschaften erheblich günstigere Bedingungen für die Herstellung vollkommener Linsensysteme darbieten, als unser jetziges Crown- und Flintglas. Ohne Zweifel wird aus den fortgesetzten Bestrebungen in diesen Richtungen eine immer weiter gehende innere Vervollkommnung der Constructionen sich ergeben, welche der wissenschaftlichen Anwendung des Mikroskops reichlichen Gewinn bringen wird, auch wenn sie die absolute Leistungsfähigkeit des Instrumentes nicht zu erhöhen vermögen.

Auf dieser Seite liegen die erreichbaren Ziele. Bestrebungen, die von einer grundsätzlich anderen Stellung der Aufgaben sich leiten. lassen, werden in Zukunft ebenso, wie es bisher gewesen ist, an den Schranken scheitern, welche die Natur der Dinge menschlichen Illusionen entgegensetzt.

Apparate für Wärmelehre.

Von Dr. Ad. Wüllner,

Professor am Polytechnicum zu Aachen.

Die Ausstellung war an Apparaten, welche zur Untersuchung und Demonstration der Wärmeerscheinungen 1) dienen, nicht so reich als an optischen Apparaten. Das Hauptinteresse dieses Theiles bestand darin, dass mehrere Apparate, mit denen wichtige Untersuchungen durchgeführt sind, theils im Original, theils in Copien vorhanden waren. Zunächst war eine grosse Zahl von Quecksilberthermometern, mit den verschiedensten Skalen versehen, vorhanden; Deutschland war in dieser Sammlung hauptsächlich vertreten durch Dr. H. Geissler in Bonn, Geissler & Greiner in Berlin und W. Haak zu Neuhaus am Rennweg in Thüringen. Professor Jolly in München hatte ein Exemplar des von ihm construirten Luftthermometers, das Collège de France ein Originalluftthermometer von Regnault eingesandt, Professor Beetz in München eines der von ihm construirten Vorlesungsthermometer.

An die Thermometer reihten sich eine Anzahl Pyrometer, von denen namhaft zu machen wäre das neue Siemens'sche, welches die Temperaturen durch die Zunahme des elektrischen Widerstandes in einer Drahtspirale misst, welche, in einer eisernen Röhre eingeschlossen, in den Raum, etwa den Ofen, eingeschoben wird, dessen Temperatur bestimmt werden soll. Nach den Versuchen von Weinhold in Chemnitz, der die Angaben des Siemens'schen Pyrometers mit denen eines Luftthermometers mit Porzellangefäss verglichen hat, ist das Siemens'sche Pyrometer das einzig brauchbare, d. h. das einzige, dessen An

1) Vergl. den unmittelbar folgenden Bericht von Kundt 425 u. ff. und den später folgenden von Neumayer & Schreiber,

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