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sichtlich der Art und des formalen Wertes der gewonnenen Erkenntnis. Sie wachsen mit einander. Wie die leitende klassische Philologie besteht auch sie nun, wenn auch nicht allgemein, im zweiten Zeitraum ihrer Entwickelung, in grammatischer und lexikalischer Beobachtung und Stoffansammlung, in Regelung der Schriftstellersprache und der Sprache alter Texte, in etymologischer Sprachbetrachtung, in Erneuerung der Kenntnis älterer Prosa und Dichtung. In Italien setzt sich die Beschäftigung mit provenzalischer Sprache und Litteratur aus dem vorigen Zeitraum fort.

A. ITALIEN.

Das Geburtsland der neuen Bildung, Italien, das das Altertum entdeckte und zuerst den geschichtlichen Sinn entwickelte, zeichnet den übrigen Ländern mit den Humanitätsstudien auch die neuen Richtungen in der Behandlung der einheimischen Sprache und Litteratur vor. Nachdem es ein Jahrhundert mit der lateinischen Schriftstellerei des Altertums gewetteifert und die italienische Dichtung tief unter die im 14. Jahrhundert erreichte Höhe hatte sinken lassen, schlug die Bewunderung für die neulateinische Schriftstellerei und Sprache in Geringschätzung um. Die Aufmerksamkeit wandte sich den unvergesslichen Werken älterer italienischer Dichtkunst zu. Ihre philologische Ergründung wurde erneuert in teilweiser Anknüpfung an die philologische Thätigkeit der vorangegangenen Jahrhunderte, unter Erweiterung und Vertiefung derselben.

Im Streit wider die lateinische Sprache wurden das vulgare illustre Dante's, die Sprache Petrarca's und Boccaccio's nicht nur der Prüfung würdig, sondern auch als unendlich schöner erfunden. Der Beweis für die Vorzüglichkeit der altitalienischen Dichtersprache und dafür, dass kein anderes Italienisch mit dieser Sprache sich vergleichen lasse, dass an ihr der italienische Schriftsteller sich zu bilden hätte, lag dem Grammatiker ob. Der erste in der langen Reihe des Zeitraums,1 der als Podesta von Ancona gestorbene Francesco Fortunio, führte ihn in seinen Regole grammaticali della Volgar lingua (1516), die er den studiosi della lingua regolata widmet. Er weist darauf hin, dass die von ihm mit hingebendem Eifer durchforschten drei Dichter senza alcune regole di grammaticali parole die Volkssprache unmöglich so armonizzamente hätten anwenden können, und legt in dem, noch 15 mal gedruckten, einen Wendepunkt in der Betrachtung der lebenden Sprachen bedeutenden Werkchen die von ihm entdeckten, vor ihm von Niemand geahnten Regeln der Beugung des italienischen Nomens, Pronomens und Verbums vor. Die Forderung, dass diese Sprache als die mustergiltige anerkannt werde, rechtfertigt er damit: essendo stati gli auttori predetti di lingua tosca e quella meno assai di qualunque altro idioma italico corrotta e laquale sola il regolato ordine di parlare ci può porgere. Die geringfügigen Ausnahmen, die ihm begegnen, machen die Überzeugung, dass auch die italienische Schriftsprache von der analogia beherrscht sei, nicht schwanken. Exegese und Textkritik helfen einen Teil der Ausnahmen beseitigen. Den übrigbleibenden gegenüber soll der Grundsatz gelten, dass das in den Quellen häufigere festzuhalten sei. F.'s Beobachtung ist von überraschender Sorgfalt, erstreckt sich schon auf Einzelheiten und verwickelte Erscheinungen, und gestattet ihm, sich auch über Vorkommen und Nichtvorkommen einer Form in den Quellen zu äussern. Ein orthographischer Abschnitt bespricht entbehrliche Buchstaben und Consonantendoppelung; drei weitere, in denen F. von den Erklärern mangelhaft ausgelegte Stellen der drei Dichter behandeln wollte, blieben unausgeführt.

F.'s Entdeckung einer geregelten italienischen Sprache schon bei den «Vätern» der italienischen Dichtkunst erregte freudige Verwunderung und begegnete der Überzeugung einflussreicher Schriftsteller. Diese Sprache mit

ihren nachahmungswerten Wendungen ebenso vor Augen zu stellen, wie es Laurentius Valla in den de elegantia lat. linguae libri (1471) für das Lateinische gethan, bezweckte schon der Canonikus N. Liburnio (1474-1557) in den Volgari eleganzie (1521) und in den, auf Dante, Petrarca und Boccaccio sich beziehenden grammatischen Auseinandersetzungen der Tre fontane sopra la grammatica et eloquenza (1526). Vor allem teilte F.'s Ansicht ein Prosaschriftsteller wiederum höheren Stils und von unbestrittenem Range, der Cardinal P. Bembo (1470—1547), der erste Nichttoscaner, der sich des antico toscano mit Geschmack in gedankenreichen Werken bediente und der den, von der lateinischen Sprache sich lossagenden Schriftstellern den Weg wies. B. bemisst in den, Cicero's Orator nachgebildeten Prose (1502-1525) die Würdigkeit und Tauglichkeit des Italienischen am Latein. Er anerkennt eine beim Gebrauch des Alttoscanischen einzuhaltende Grenze und fasst den Schriftsteller als die Sprache entwickelnden Gedankenbildner auf. Er trägt selbst eine mit Bemerkungen zur Satzbildung verbundene Lehre von den italienischen Redeteilen mit noch schärferen Unterscheidungen vor als F., berücksichtigt dabei andere alttoscanische Schriftsteller und erwägt selbst die Beziehungen ihrer Sprache zur altprovenzalischen, freilich nicht ohne hierbei irrigen Auffassungen zu verfallen. B.'s Entscheidungen tritt dann Alberto Acarisio in einem nach Redeteilen gegliederten Lehrbüchlein (Grammatica volgare, 1536) bei. B.'s Gesichtspunkte halten, bei gewisser Selbständigkeit der Beobachtung, auch seines Freundes Jacopo Gabriello Regole (1545) ein. Die ferneren Lehrbücher der nunmehr bereits allgemein angewendeten alttoscanischen Schriftsprache bedürfen bereits der alttoscanischen Belege zur Regel nicht mehr. Sie fehlen z. B. in des Bischofs Rinaldo Corso († 1580) wohlgeordneten Fondamenti del parlar toscano (1549), der für Lateinkundige von der thoscana favella incerta fin hora et sparsa scharfgefasste Regeln abzieht, in des vielseitigen Schriftstellers Lodovico Dolce (1508-1566) Osservationi nella volg. ling. (1550), der Fortunio ergänzen will. Für Girolamo Ruscelli, der seine wenig selbständigen Commentari della lingua (1581) mit einer geschwätzigen Betrachtung über menschliche Sprache u. a. einleitet, sich aber auch um eine deutliche Vorstellung vom Verhältnis des Romanischen zum Lateinischen bemüht, ist die Grundlage schon die Sprache der Schriftsteller der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts und nur Streitfragen lässt er die älteren entscheiden.

Und so verfahren, gleich darin der derzeitigen lateinischen Grammatik, jüngere und dem folgenden Jahrhundert angehörende Lehrbücher des Italienischen von wachsendem Umfang und unbehilflicher Schwerfälligkeit der Begriffsbestimmungen, wo die ratio einer Erscheinung nicht erfasst wird. Einzelne von ihnen gelangen zu grösserem Einfluss, durch den Zusammenhang ihrer Verfasser mit Schriftstellerkörperschaften. Namentlich die, durch Herausgabe von Seiten der Academia della Crusca gewissermassen amtlich anerkannte des Mitglieds Benedetti Buommattei (1581-1647; Della lingua toscana, 1623-43), die Grundlage der neueren italienischen Grammatiken, die an Vollständigkeit und umständlicher Gründlichkeit nicht mehr überboten wird. Über andere Sprachlehrer der Zeit, die den verschiedensten Provinzen angehörig, für die toscanische Schriftsprache eintreten und die Grammatik bereicherten oder die Sprachkenntnis förderten, wie Trissino, Lenzoni, Mambelli (Cinonio, 1644), der reichhaltige Osservationi allein über Partikeln, enklitische Wörter und Zeitwortbeugung veröffentlichte, Fossombrone, B. Varchi, Strozzi, u. a. s. Fontanini, Bibliot. dell' eloquenza it., Ausg. A. Zeno 1753, I ff., Tiraboschi, Storia VII 2294 ff.

Die Gegnerschaft, wenn sie nicht blos wegen der Benennung der Schriftsprache oder wegen einseitiger Bevorzugung Boccaccio's oder Petrarca's haderte,

sondern die Giltigkeit der, dem trecento entnommenen Regeln oder Beobachtungen bestritt, veranlasste nur tieferes Eindringen in die alte Sprache, und Verfeinerung der grammatischen Beobachtung und Unterscheidung. Unmächtig erwies sie sich gegenüber der philologisch und kritisch bedeutendsten grammatischen Leistung des 16. Jahrhunderts, den auf Boccaccio sich stützenden Avvertimenti della lingua sopra il Decamerone (1586) des Mitbegründers und Consuls der Cruscaakademie Leonardo Salviati (1540—89), der im besonderen Teile des Werkes von Artikel und Nomen auch nach der syntaktischen Seite handelt, ältere Lehren umsichtig prüft, berichtigt und erweitert. Die überfeine Kritik, die der Philolog L. Castelvetro (1563) an Bembo's Prose übte, der Widerspruch, den Papazzoni und Corsuto gegen Salviati erhoben, die Beobachtungen D. Bartoli's (Il torto e 'l dritto, 1655), des italienischen Vaugelas, der in 269 Abschnitten von den Vorgängern verworfene Ausdrucksweisen, Wortformen u. dgl. an der Hand «guter» Schriftsteller des 14. Jahrhunderts, die jenen meist unbekannt waren, verteidigt, zeigen deutlich die Übereinstimmung der Behandlung italienischer und lateinischer Sprache in jenem Zeitalter.

Die Entdeckung einer regelmässigen italienischen Sprache führt sogleich auch die Regelung der, noch mit völliger Willkür gehandhabten Rechtschreibung herbei, zu Vorschlägen zur Vereinheitlichung der Schreibung, zur Vermehrung der Schriftzeichen u. s. w. Schon 1527 bringt G. Trissino († 1550; Epistola intorno alle lettere nuovamente aggiunte alla ling. it.) solche in Anregung, damit, wie andere nach ihm, und wie überall, wo die Rechtschreibung brennende Frage wurde, Widerspruch und heftigen Streit erregend. Auch Bembo, N. Dortelata (1544), Sansovino (1568), D. Bartoli (1670) und z. T. die Verfasser der planmässig gegliederten Grammatiken, wie Salviati, erörtern die Schriftlehre in grosser Ausführlichkeit. Der Grundsatz, lautgemäss zu schreiben und über die lateinischen Buchstaben nicht hinauszugehen dringt durch.

Gewinn erwuchs aus der dadurch sich verbreitenden Gewöhnung an genaue Auffassung des gesprochenen Lautes auch der etymologischen Betrachtung: schon Bembo erkannte (Prose II), dass dem offenen und geschlossenen ital. e verschiedene lateinische Laute, jenem ě, diesem ĭ entsprechen. Ebenso gab der, seit 1544 von Cl. Tolomei, B. Varchi (Ercolano, 1570) J. Muzio (Varchina, 1584), Celso Cittadini (1601), Bargagli (1602) hitzig geführte Streit um den Namen der italienischen Sprache, die der Reihe nach volgare, toscana, fiorentina, italiana (so schon Trissino) heissen sollte, der wichtigeren Erörterung der Ursprungsfrage einen kräftigen Anstoss. Je mehr sich die Kenntnis der Landesgeschichte vertieft und die der Sprachen ausbreitet und je mehr die, in protestantischen Ländern sich ausbildende Sprachenkunde Möglichkeiten der Sprachenableitung eröffnet, desto verwickelter erscheint jene Frage und desto widersprechender wird die Beantwortung. Unbefangen, wie Dante, dessen Schrift über das Volgare G. Trissino 1529 übersetzt hatte, sahen noch Bembo, später Ruscelli, Salviati u. a. im Italienischen, dessen Wortgestalt ihnen als etwas unveränderliches galt, ein nach dem Untergang des römischen Reiches durch Berührung mit den Franken, Burgundern, Vandalen, Deutschen, Ungarn, Mauren, Türken verderbtes Latein. Nachdem aber der deutsche Sprachenkenner Sebastian Münster durch eine Grammatica et lexicon chaldaicum (1507) und das Dictionarium trilingue (1530) die Erlernung des Chaldäischen ermöglicht, nachdem das Wunder der Gelehrsamkeit der Zeit, der französische Orientalist Postel (1505-81), in dem Werke de originibus seu de hebraicae linguae et gentis antiquitate (1538) Ethnologie und Sprachenkunde in Verbindung gesetzt, die Schweizer Bibliander (Büchmann; de communi ratione omnium linguarum, 1548) und C. Gesner (Mithridates; de differentia linguarum, 1555) im Hebräischen die Ursprache, im Griechischen den Ursprung des Latein, im Lateinischen

den der gallischen, italienischen, spanischen Sprachen erkannt hatten, hörte die Einhelligkeit der Meinung auf.

Die Verschiedenheit italienischer und lateinischer Wortform lässt dem geschichtskundigen J. Giambullari (1495-1564; Origine della lingua fiorent., 1549) das Italienische aus der ältesten Sprache Italiens, dem Altetruskischen (an das, nach Filelfo a. a. O., schon das 15. Jahrhundert gedacht hatte) herleiten. Dieses aber stammt aus dem Aramäischen, da etruskische Götter-, Fürsten- und Ortsnamen mit alttestamentlichen übereinstimmen, und der älteste römische Gott Janus, eine etruskische Gottheit, und ein und dieselbe Person mit Noah sei, der nach Etrurien kam und das mit dem Hebräischen verwandte Aramäisch mitbrachte. Daher denn auch die dem Italienischen und Hebräischen gemeinsamen Wörter, wie ital. botte und hebr. gabot (?) Weingefäss, come = chemo wie, gobbo goba Erhöhung, u. dgl.; daher das Fehlen der Casus im Italienischen, der Steigerungsform, des neutralen Substantivs, daher der Artikel, die Pronominalaffissi und die Ähnlichkeit im Versbau. Die Mischung mit griechischen, deutschen Wörtern (dtsch. z. B. zucchero), mit Französisch und Provenzalisch, das ihm aus verdorbenem Latein und Französisch besteht, wird von G. genauer geschätzt und beschränkt.

Aber der Zeit, die Wert und Bestandteile des wissenschaftlichen Beweises wohl kannte, musste ein Verfahren bei Feststellung des Wortursprungs verdächtig erscheinen, das sich Hinzufügung, Wegnahme, Veränderung, Versetzung von Buchstaben, wodurch allerdings die Schriftsprache zur Mundart ausgeartet zu sein schien, aber freilich jedes Wort zu jedem gemacht werden konnte, nach Belieben gestattete, und die noch grösseren Kühnheiten A. Carafullas reichten hin, es lächerlich zu finden. So urteilte schon einer der besten Schriftsteller der Zeit, B. Varchi, einer der Consulen der Florentiner Akademie, in seinem Gespräch über das Wesen der Sprache und über die italienische Sprache (L'Ercolano, 1570), der im Italienischen eine aus dem Lateinischen neugeborene, schönere Sprache, vermischt mit provenzalischen Worten erblickte. Sein Gegner J. Muzio, (a. a. O.), pflichtet ihm bei, nur dass er provenzalische Wörter bloss in der italienischen Schriftsprache zugibt. Auch Buommattei (a. a. O.), der sich das Italienische in der Weise aus dem Lateinischen und Germanischen herausgebildet denkt, dass die Barbaren das Lateinische barbaramente, die Lateiner das Germanische latinamente gesprochen hätten.

Seit dem Ende des 16. Jahrhunderts, wo Italien seine litterarische Selbständigkeit verloren und die französische Philologie die italienische längst überflügelt hat, eignen sich die Gelehrten in der ethnologischen Frage französische Anschauungen an. Das Mitglied der Academia dei Lincei, A. Persio, der ein etymologisches Wörterbuch des Italienischen begann, lässt (Conformità della lingua it. con le più nobili antiche lingue, 1592) mit A. Monosini (Floris ital. linguae libri, 1604) nach J. Périon's Vorgang (S. 23) das Italienische der edleren griechischen Sprache entstammen. G. Valeriano (Della volgar lingua, 1620) sieht im Italienischen, weil ihm, wie dem Altlateinischen die consonantischen Auslaute fehlten, älteres Latein, aber eine Sprache von griechischer Erziehung. Noch im 18. Jahrhundert erklärte der gelehrte A. Zeno (in Fontanini's Bibliot., 1753) das Latein für die Mutter, das Griechische für die Amme der italienischen Sprache. Kein Wunder wenn Capis e Biffi (Varon milanese, 1606) diesen erlauchten Ursprung auch der mailändischen Mundart zuerkannte. Die Ansicht vom Bestand des Italienischen vor dem Lateinischen fand Valeriano bereits vor bei Celso Cittadini († 1627; Della vera origine della nostra lingua, 1601). Ihm galt die italienische Schriftsprache wiederum als die allgemeine, von jedem Römer mit der Muttermilch eingesogene niedere

lateinische Sprache. Diano da Diano gewann dagegen in der schwülstigen, gesucht witzigen Schrift Fiume dell' origine della ling. ital. (1626) die italienische Schriftsprache aus dem Lateinischen, die italienischen Mundarten aus der durch Schriftsteller bezeugten römischen Volkssprache. Als die gemeinsame Mutter des Italienischen, Spanischen und Französischen bezeichnete das Lateinische zuerst in Italien Castelvetro (Contra il Varchi, 1572); mit weiterem, sicherem Blicke hatte er auch bereits im italienischen Futurum die Verbindung des Infinitivs mit Präsensformen von avere erkannt.

Eine Zusammenfassung des, in den beiden Jahrhunderten von Philologen des In- und Auslandes, in Italien von Niccolò Eritreo, C. Calcagnino, Castelvetro und anderen Etymologen Geleisteten tritt im Jahre 1676 in Italien in O. Ferrari's Origines ling. ital. hervor. Des Franzosen G. Ménage (S. 28) etymologisches Wörterbuch der italienischen Sprache ging ihnen voran. F. beschränkt sich wesentlich auf, von Ménage nicht untersuchte oder anders gedeutete Wörter, leitet möglichst viel aus dem Lateinischen ab, und legt unter herkömmlicher Vernachlässigung der Buchstaben grösseres Gewicht auf Übereinstimmung der Wortbedeutung. Daher verfällt er bei neghittoso auf lat. INIQUUS, bei ratto auf MUS (durch *muratus «per apheresim»), bei bordone auf VERU (*veru-to-nem), bei bordello auf PROSTIBULUM; qui ist *hichi (aus HIC), quindi HINC INDE u. s. W. Doch hat ihn Gelehrsamkeit und Scharfblick in versteckter lateinischer oder griechischer Wortform manches unbestreitbare Grundwort entdecken lassen.

Die italienische Lexikographie erwächst auf demselben Boden wie die Grammatik. Die Verkündigung der Nachahmung der Schriftsteller des trecento machte einen Überblick über ihren Wortschatz nötig und lenkte von der lebenden Sprache ab. Die lateinische Lexikographie der Zeit gefiel sich in ähnlicher Auslese. L. Minerbi begann mit der Aufnahme des Wortschatzes des Decameron (1535). F. Luna († 1559) sammelte 5000 «gut» tuskische Wörter aus Dante, Petrarca, Boccaccio, doch auch aus Jüngeren, wie Ariost, und Lebenden, wie Trissino, Pietro Aretino, ohne sie durchgreifend zu scheiden (1536). A. Acarisio verbindet mit seinem Vocabolario (1543) grammatische Unterweisung und Stellenauslegung. Vielseitiger griff die lexikalische Aufgabe F. Allunno († 1556) an. Er stellte zuerst (Osservazioni sopra il Petrarca, 1539. 1550) die Wörter in Petrarca's Liedern zusammen und erläuterte dann die Boccaccio's (Richezze della ling. volg., 1543) unter Nachweisen über gleichlautende und von ihm als fremde angesehene Wörter, unter Deutung dunkler Wörter aus Dante und Petrarca, Anführung von Sprichwörtern, Aufstellung eines Wortverzeichnisses nach Endungen u. dgl. In seinen vielgebrauchten, die drei grossen Dichter, Bembo und einige andere umfassenden Della Fabrica del Mondo libri (1548) entwarf er das erste nach Begriffen geordnete Wörterbuch einer neueren Sprache, in der Absicht zu zeigen, dass schon alle menschlichen Vorstellungen Benennung bei guten italienischen Schriftstellern gefunden. Ungefähr zur selben Zeit entstand die ungedruckt gebliebene erste italienische Synonymik von T. Gallaccini.

Da auch lateinische Wörterbücher zur Grundlage für italienische gewählt wurden, z. B. des Erasmus von Rotterdam de duplici copia verborum ac rerum commentarü für Marinelli's Copia delle parole (1562), so wurden auch diese für Umfang und Einrichtung der ersten italienischen Wörterbücher bestimmend. Seit 1553 bestehen italienisch-lateinische und lateinisch-italienische Wörterbücher. Das älteste, L. Minerbi's Dizionario, ist Bearbeitung des berühmten lateinischen Lexikons des A. de Calepio (Calepin franz.) von Bergamo (1500); ähnlicher Art sind die Montemerlo's (1566), P. Galesini's (1584), G. Ruscelli's (1588). Eins der merkwürdigsten jener lateinischen Lexica, das

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