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Gegen Abend nåherten wir uns der Residenz. Die Kuppeln der Frauenthürme, die so weit in das Land hineinschauen, und denen gegenüber ich eine der dumpfften Zeiten meines Lebens zugebracht hatte, waren von der scheis denden Sonne mit Gold übergoffen, so daß die Erinnerung an jene düstre Zeit, und an mein trauriges Leben in dem Hause, in welches ich jezt zurückkehren sollte, nur desto dunkler gegenüber trat. Die Vergangenheit, wie die Zukunft, lastete auf meiner Brust, und ich war allzu glücklich, daß mein Vormund schlummerte, um meinem gepreßten Herzen durch einen Strom von Thrånen Luft zu machen.

So kamen wir an, als die Glocken zum Abendgebete läuteten. Als wir die lange Straße vom Isarthore hinauffuhren durch eine Menge von Menschen, die den heitern Ubend benußt hatten, und jezt still nach ihrer Heimath zurückkehrten, meist Paar und Paar, sich an den Hånden führend, mit entblößtem

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Haupte und Kinder vor ihnen und um sie her, fast Alle mit dem Ausdrucke der Zufriedens heit auf ihren Gefichtern, da fühlte ich mich durch den lang entbehrten Anblick beruhigter, und durch das Dunkel meines Innern sprühten Funken einer erquicklichen Wehmuth auf, wie aus dem dunkelnden Himmel die zarten Lichter der ersten Sterne leise hervorschauten.

In dem Hause meines Vormundes fand ich noch Alles so, wie ich es vor mehrern Jahren verlassen hatte. Seine Frau saß eben so an dem Spieltische wie sonst; es waren eben dieselben Gesichter, nur ein wenig ålter und etwas geschminkter als sonst; dieselbe Leere der Unterhaltung und dieselbe Herzlosigkeit. In meinem alten Zimmer, das mir auch wieder zur Wohnung angewiesen wurde, war auch noch Alles wie sonst; diefelben Ges råthschaften, dieselbe Anordnung, Alles so fest und unveränderlich, wie die Mauern der Kirche gegenüber, und fast eben so alt. Ich musterte Alles noch denselben Abend, und da ich auch

nicht unterließ, die Inschriften aufzusuchen, die ich bei verschiedenen Veranlassungen in die Tapeten gekritelt hatte, fand ich auch folgende, von der ich mich nicht befann, sie geschrieben zu haben, die mir aber spåter oft wieder in das Gedächtniß gekommen ist:

misera la volgare e cieca gente,

che pon qui sue speranze in cose tali,

che'l tempo le ne porta si repente!

Da ich nicht die Geschichte meines Lebens schreibe, sondern nur die vorzüglichsten Momente meiner Sinnesånderung bezeichnen will, so übergehe ich alle die Einzelheiten, die hier: auf keine nåhere Beziehung haben. Der Graf war gerade abwesend, als ich ankam, und wurde erst in einigen Tagen zurück erwartet. Ich hatte also Zeit, mich zu sammeln und auf seinen Empfang vorzubereiten; da ich aber nur eine ganz unbestimmte Vorstellung von dem Verhältnisse hatte, in das ich zu ihm getreten war, so war auch meine Vorbereitung eben so unbestimmt, und folglich schlecht. Auch

half sie mir so wenig, daß, als der Graf endlich kam, er mich eben so unvorbereitet fand, als wenn er mich am Abend meiner Ankunft mit einem Besuche überrascht hätte.

Es war der erste Sonntag nach meiner Rückkehr, wo ich ihn erwarten sollte. Ich ging unruhig in meinem Zimmer auf und ab, als ich durch das Fenster einen goldnen Wagen an meiner Thür halten sah, mit Bedienten und Jågern hinten auf, um den sich, da eben das Hochamt geendigt war, eine Menge von Menschen versammelte. Ich trat schnell zurück, um mich auf das Sopha zu werfen, und einen Augenblick darauf wurde der Graf angemeldet, und die Flügelthüren aufgerissen. In reich gestickter Uniform, mit Orden bedeckt, mit Degen und Federhut, trat der Graf herein. Ich hatte die vertrauliche Näherung eines Liebenden gefürchtet, jeßt sah ich, daß er zu einer Audienz kam; dieß bestimmte unser Verhältniß, und ich schöpfte Athem. Er sagte mit der ihm eigenthümlichen Haltung, er kåme, um

aus meinem Munde die Bestätigung des Glückes zu vernehmen, das ich ihm, der Versicherung meines Vormundes zufolge, verhieße. Ich antwortete mit ziemlicher Fassung, und am Ende unsrer kurzen Verhandlung küßte er mir die Hand, dankte für meine Erklärung, und deutete den Lebensplan an, den er für mein Glück entworfen hatte; einen Plan, von dem ich schon durch meinen Vormund den ausführlichen Riß überkommen hatte.

So wenig mir die prunkende Weise des Grafen bei seiner Bewerbung gefiel, so wußte ich es ihm doch im Herzen Dank, da mich nichts so sehr ångstigte, als der Gedanke an eine Vertraulichkeit. Jest konnte ich ihn wieder in dem Verhältnisse eines Fremden betrachten, der meinen Verstand durch seine Unterhaltung angenehm beschäftigte, von meinem Herzen aber keine weitere Notiz nahm. So blieb es auch nachher. Zwar sprach er oft und beredt über seine Leidenschaft zu mir

Aeußerungen, die er meist mit glänzenden

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