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möglichkeit ganz entbehrenden Pflanzen, sowie auf die Sterilität vieler Kreuzungsproducte genügt, um die Allgemeingiltigkeit der Vermischungstheorieen zu erschüttern.

Durch Kreuzung dürfte es in erster Linie dann zur Aenderung von Organisationsmerkmalen kommen, wenn Selection das Kreuzungsproduct begünstigt, und das ist insbesondere im Zustande der Domestication der Fall. Es ist zweifellos sichergestellt, dass viele unserer Culturpflanzen auf Kreuzungen zurückzuführen sind; ich nenne z. B. viele unserer Gartenblumen, wie die Petunien, Verbenen, Fuchsien, Begonien, Primeln, viele Getreide-, Rüben- und Obstsorten u. s. w. Abb. 9 zeigt eine Auswahl von Gartenformen des „Stiefmütterchens", der Viola hortensis, welche zweifellos gleichwie zahlreiche andere derartige Formen, durch die Kreuzung aus einer kleinen Anzahl von Stammarten hervorgegangen sind. Auch im Naturzustande kommt Neubildung von Formen durch Hybridisation sicher vor; die Vielgestaltigkeit der europäischen Vertreter der Gattungen Rubus, Mentha, Tulipa, Sempervivum u. a. findet zum Theile dadurch ihre Erklärung. Jedenfalls kann die Kreuzung als eine der Ursachen der Veränderung von Organisationsmerkmalen aufgefasst werden. Dabei ist allerdings nur die zweiartige Kreuzung", die Kreuzung zwischen Individuen verschiedener systematischer Einheiten gemeint; die „einartige Kreuzung" dürfte eher einer Neubildung von Formen entgegenarbeiten.

Eine zweite an und für sich mögliche Art der Aenderung von Organisationsmerkmalen ist die durch individuelle Variation, durch allmählige Steigerung und Fixierung der Variation durch Zuchtwahl (Darwinismus). Diese Art der Aenderung setzt in noch höherem Masse als die Kreuzung eine das Günstige fördernde Wirkung der Selection voraus. Eine solche findet sich in der Cultur, nicht aber im Naturzustande. Darin liegt auch der Grund, warum eine Neubildung von Formen in der angedeuteten Art zwar bei Culturpflanzen, z. B. Getreidepflanzen, Gemüsepflanzen bekannt ist, warum aber bisher kein einziger Fall sichergestellt werden konte, in welchem der Darwinismus im Naturzustande zutreffen würde.

Viel häufiger dagegen scheint im Naturzustande die Mutationslehre zuzutreffen. Sie nimmt an, dass durch „sprungweise", durch heterogenetische Aenderung sofort etwas Neues in fertiger Form in Erscheinung tritt und dann erhalten bleibt, wenn es nicht gerade schädlich ist. Es kann kaum einem Zweifel unterliegen, dass viele Fälle von Aenderung von Organisationsmerkmalen auf diese Heterogenesis zurückzuführen sind, und dass gerade diese im Gegensatze zur Kreuzung wesentlich Neues schafft. Die meisten Formen von Nutz- und Gartenpflanzen, die wir heute cultivieren, sind heterogenetisch entstanden; Abb. 10 u. 11 zeigen einige diesbezügliche Beispiele. Aber auch im Naturzustande dürfte Heterogenesis häufig vorkommen. Dafür spricht u. a. der Umstand, dass sehr

oft Gattungen und Arten von anderen durch Merkmale verschieden sind, die bei letzteren gelegentlich als plötzlich auftretende Mutationen erscheinen (vgl. Abb. 12), so dass die Vorstellung zulässig erscheint, dass die Entstehung jener auf ähnliche Mutationen zurückzuführen ist. In das Wesen der Mutationen fehlt uns derzeit ein Einblick; wir wissen nicht, ob es sich dabei um Organisationsstörungen handelt

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Abb. 10. Rassenbildung durch Mutation und Selection. Culturrassen von Daucus Carota. Fig. 1. Carotte d'Altringham". Fig. 2. Carotte rouge longue obtuse sans coeur".

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Fig. 4. Vogesische Möhre". Fig. 5. C. de Meaux". Fig. 7. C. de Nantes". Fig. 8. Holländische Möhre." Fig. 1-9 in 1/5 der nat. Gr. nach Vilmorin.

Fig. 9. C. de Guérande".

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oder um Vorgänge, welche correlativ durch andere hervorgerufen werden.

Fasse ich das über die Möglichkeit der Aenderung von Organisationsmerkmalen Gesagte zusammen, so ergibt sich, dass die Organisationshöhe von Vorgängen abhängt, welche im innigsten Zusammenhange mit dem Wesen der Organisation überhaupt stehen, dass Aenderungen von Organisationsmerkmalen nachweisbar

durch Kreuzung und Heterogenesis veranlasst werden können, dass im Zustande der Domestication auch eine an kleine individuelle Variationen anknüpfende Selection eine Rolle spielt. Nicht zu unterschätzen ist schliesslich die Möglichkeit der allmähligen Umwandlung von Anpassungsmerkmalen in

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Abb. 11. Beispiele von in Gärten cultivierten Pflanzen, welche höchstwahrscheinlich durch Mutationen entstanden sind. - Fig. 1. Blütenkorb des gefüllten" Gänseblümchens, Bellis perennis; sämmtliche Blüten sind Zungenblüten; nat. Gr. Fig. 2. Normale Frucht von Solanum Lycopersicum. Fig. 3. Frucht der in den Gärten am häufigsten cultivierten Form (Vermehrung der Fruchtblätter); verkl. Fig. 4. Inflorescenz von Celosia cristata (Fasciation); verkl. Fig. 5. Gefüllte" Blüte von Narcissus Tazetta; nat. Gr. Fig. 6. Blätter von Syringa persica f. pinnata; verkl. - Fig. 7. Fraxinus excelsior, typische Blattform; verkl. Fig. 8. F. exc. f. monophylla; verkl.

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Original.

Wesentlich anders als bei den Organisationsmerkmalen verhält es sich bei den Anpassungsmerkmalen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass dieselben verhältnismässig junge Erwerbungen der betreffenden Pflanzen sind. Umso schwieriger ist es, ihre auffallende

Zweckmässigkeit mit Zuhilfenahme der meisten bisher behandelten Lehren zu erklären. Gerade an den Anpassungsmerkmalen scheiterte der Darwinismus im engeren Sinne. Dass Anpassungsmerkmale nicht durch Selection im Laufe der Generationen erworben werden können, geht nämlich schon aus der Thatsache hervor, dass sie nur im fertigen Zustande für die Pflanze von Werth sind, dass sie dagegen im werdenden Zustande unmöglich ein Individuum anderen gegenüber

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Abb. 12. Bei einzelnen Pflanzen auftretende Mutationen, die bei verwandten Gattungen und Arten charakteristische Merkmale bilden. Fig. 1. Gentiana calycina, abnormerweise tetramere Blüte; die Blüten der nahe verwandten G. campestris sind stets vierzählig. - Fig. 2. Campanula medium, Blüte mit getrennten Corollblättern; die verwandte Gattung Michauxia ist stets choripetal. Fig. 3 und 4. Abnormerweise vierblätterige Schote von Brassica oleracea; die verwandte B. quadrivalvis ist durch das constante Vorkommen von vier fertilen Fruchtblättern charakterisiert. Fig. 5. Fragaria collina mit abnormerweise gefiederten Blättern; dieselbe Blattform findet sich bei ähnlichen Potentilla-Arten, z. B. P. rupestris. Fig. 6. Tetramere Blüte von Potentilla reptans (sonst pentamer): die verwandte P. Tormentilla ist stets tetramer. Fig. 2 nach De Candolle, Fig. 1, 3-6 Original.

im Kampfe ums Dasein fördern können, was aber der Darwinismus annehmen muss.

Auch der Kreuzung kann man bezüglich des Zustandekommens von Anpassungsmerkmalen keine zu grosse Rolle einräumen. In einzelnen Fällen ist es ja denkbar, dass die Kreuzung zweier, bestimmten Verhältnissen angepasster Formen eine Form erzeugt, die wieder anderen Verhältnissen angepasst ist; doch wird dies höchstens in ganz vereinzelten Fällen zutreffen. Gegen eine allgemeinere Bedeu

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