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folg abhängig macht, doch ohne nach dem Erfolg zu fragen vom Verbrechen, oder wenigstens, wie Bauer 12), vom Versuch des Verbrechens der Abtreibung spricht an einer Nichtschwangern oder der Tödtung an einem bereits Todten, z. B. einem todtgebornen Kinde, oder an einem Bilde, Schatten etc. in der Meinung, es sei ein bestimmter Mensch 18). Diesen Fällen ganz gleich müssten auch jene gelten, wo sog. absolut untaugliche Mittel angewandt wurden, oder sog. relativ untaugliche, d. h. zwar an sich taugliche, aber unzureichende oder irgendwie, z. B. durch verkehrte Anwendung, unwirksam gewordene, z. B. bei zu wenig Gift oder Pulver, bei durch Gegengift unschädlich gewordenem Gift, beim Dolchstoss nach der Brust dessen, den ein Panzerhemd, eine Schnürbrust, Uhr etc. schützt. Denn die nach der gewöhnlichen Annahme zur Vollendung oder sogar zum strafbaren Versuch des Verbrechens erforderliche sog. „objective Gefährlichkeit", d. h. naturgesetzliche Tauglichkeit, der Handlung fehlt offenbar auch bei den eben erwähnten Versuchen! Jedenfalls ist es physisch unmöglich nicht nur ein todtgebornes Kind zu tödten, sondern auch einen Panzer oder eine Uhr mit dem Dolch zu durchbohren, und deshalb ist auch der Träger eines solchen Schutzmittels wirklich ebensowenig ein sog. „an sich geeigneter Gegenstand" als ein Mithridates oder ein Opiumesser für eine Vergiftung, die bei jedem Andern wirksam sein würde, oder als eine unge

12) Abhandl. I. S. 378.

13) Wie sehr die Römer auf die voluntas und nicht auf den exitus sehen, erhellt namentlich aus der merkwürdigen Decision Justinian's in 1. 20 C. de furtis, wonach schon an die bethätigte Absicht des Diebstahls, sowie der Verführung eines Sclaven zum Diebstahl, auch wenn sie vereitelt wird, ganz dieselbe Rechtsfolge geknüpft werden soll, als wenn Beides gelungen wäre. Dieselbe vereitelte Absicht liegt aber auch dann vor, wenn der Dieb nicht wusste, dass der Eigenthümer nichts dagegen hat (animo donandi), oder aber dass er die eigene Sache stahl. (1. 46, §. 8; 1. 53 §. 4 de furtis, 47, 2). Ebenso liegt ohne Zweifel nicht blos eine Unsittlichkeit, sondern zugleich eine Unrechtlichkeit vor, die schon Seneca als vollendeten Ehebruch bezeichnet: si quis cum uxore sua tanquam aliena concumbat. Dennoch aber ist Strafe hier unstatthaft, sowohl 1. von Amtswegen, sofern das dafür vorsofern ausgesetzte öffentliche Aergerniss fehlt, als 2. auf Klage der Frau die Vollendung ohne ihre Zustimmung kaum denkbar ist und nulla injuria est quae in volentem fiat.

ladene, schlecht geladene, verrostete Flinte ein „an sich geeignetes Mittel" etc.

Folgerecht würde man ohne Frage, wenn man den Versuch mit untauglichen Mitteln nicht strafen wollte, überhaupt fast nie einen Verbrechensversuch strafen dürfen, weil nach Preuschen's 14) richtiger Bemerkung „fast alle Mittel, welche den vom Thäter bezweckten Erfolg nicht hatten, wenigstens im vorliegenden Fall nach der Art der Anwendung untauglich waren, wovon der nicht eingetretene Erfolg den besten Beweis liefert". Ganz dasselbe würde aber auch dann gesagt werden müssen, wenn man Versuchhandlungen straflos lassen wollte, die wegen der Beschaffenheit des Gegenstands den bezweckten Erfolg nicht haben konnten. Dies hat z. B. Preuschen verkannt, weil ihm der innere (sowohl physische als psychisch-ethische) Grund des Zusam menhangs beider Arten untauglicher Versuchhandlungeu nicht klar war, und weil er sich einbildete, im letzteren Fall sei der Versuch nicht, wie im ersteren, rechtswidrig, indem er dann gegen gar nicht vorhandene Rechte gerichtet sei, z. B. gegen das Recht auf Leben, das ein bereits Todter nicht mehr habe. Als ob zur Rechtswidrigkeit einer Handlung durchaus die Beeinträchtigung bestimmter Einzelrechte vorausgesetzt sei, und nicht, auch wenn es daran fehlt, die Kundgebung einer gegen die Grundlagen der gesellschaftlichen Rechtsordnung gerichteten, also gemeingefährlichen, Gesinnung vollkommen genügte, um den Beruf des Staats zu deren Bekämpfung darzuthun!

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Ob es nach den Gesetzen der Natur möglich sei, einen beabsichtigten Erfolg herbeizuführen oder nicht, ist also ganz gleichgültig für die rechtliche Beurtheilung des Daseins und Masses des strafbaren Willens, denn das Strafrecht hat mit diesen Gesetzen gar nichts zu thun. 15)

Wer aus Unverstand oder abergläubischem Wahn durch Gebete, Zaubermittel, Sympathie etc. oder durch Zucker als solchen, den er eingegeben hat, tödten zu können glaubt, der hat immerhin kein Bedenken getragen ein nach seiner Ansicht genügendes Mittel anzuwenden. Man hat hier also einen

14) Die Gerechtigkeitstheorie, II. S. 51 ff.

15) Vgl. Röder, die herrschenden Grundlehren etc. S. 23.

Menschen vor sich, der nicht wohl blos als ein „unschädlicher Narr" betrachtet werden kann, sondern jedenfalls einen gefährlichen Willen kund gethan hat und möglicher Weise, sobald er seines Irrthums inne geworden ist, nach wirksameren Mitteln greift. Nur der gesunde Menschenverstand des Richters kann aber im Fragefall zutreffend beurtheilen, ob dies auch wahrscheinlich ist, oder ob man nur mit einem Menschen zu thun hat, dessen Gebahren nicht sittliche Entrüstung, sondern höchstens Mitleid und Lächeln hervorzurufen geeignet ist, weil es entweder eine Beschränktheit bezeugt, die an Blödsinn gränzt, oder doch nicht hinreichende Bestimmtheit und Festigkeit des bösen Willens, um durch eigene Kraft für dessen Ausführung zu wirken, so dass sein böser Gedanke nur ein unfrommer Wunsch bleibt, dessen Erfüllung entweder vom Himmel erbeten wird (z. B. dass er eine reiche alte Tante recht bald zu sich nehmen möge), oder doch von fremden und noch dazu übernatürlichen Kräften erwartet wird, jedenfalls also vergebens. Hier wird dann selten eine Strafe statthaft sein, die über eine blosse ernste Zurechtweisung hinausgeht; ebenso wenig aber wird man alle hierher gehörigen Fälle ohne Unterschied als blosse Unsittlichkeiten betrachten dürfen, sobald die bestimmte rechtswidrige Richtung äusserlich irgendwie erkennbar geworden ist. 16)

Die Haltlosigkeit der Behauptung aber, dass man, was auszuführen unmöglich sei, auch nicht unternehmen könne, springt ins Auge. Ebenso unhaltbar ist die Behauptung, dass die physische Möglichkeit der Ausführung nöthig sei, um den bösen Willen zu erkennen, dass also der Beweis sich nicht führen lasse, sobald ganz untaugliche Mittel angewandt worden seien 17); sie ist dazu weder nöthig noch für sich allein hinreichend, obwohl sie beitragen kann in Verbindung mit andern Umständen darüber Aufschluss zu geben. 18) Oder soll etwa daraus, dass ein todtes Kind in

16) Vgl. auch Kahle, die specul. Staatslehre, S. 357.

17) Vgl. Preuschen am a. O. gegen diese Behauptung.

18) Wenn Bauer (erst in seinen späteren Schriften) behauptete: zur Rechtsbegründung (!) der Strafbarkeit des Versuchs sei vorausgesetzt, dass aus der Versuchhandlung an sich der böse Wille erkennbar sei, so lag in dieser sichtlichen Verwechslung des Beweises mit dem Recht zugleich theil

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den Abtritt geboren wurde, also dadurch ganz gewiss das Leben nicht verloren hat, der Schluss gezogen werden, dass auch die Absicht, es ums Leben zu bringen, nicht vorhanden ein Schluss, den Jene zu ziehen scheinen, die gewesen sei, hier von gar keiner Strafe wissen wollen?! Hier und ganz ebenso in dem Falle, dass Zucker für Gift gehalten und in tödtlicher Absicht eingegeben, oder dass das Gift im Magen durch Gegengift neutralisirt, oder wieder ausgebrochen wurde, oder dass die Kugel des Banditen ihr Ziel verfehlte, - Fälle, die physisch und ethisch einander offenbar völlig gleich stehen

vereitelte lediglich ein glücklicher Zufall die gewollte Wirkung der physische Causalnexus fehlt; der psychische aber ist vollständig vorhanden, der vollendet rechtswidrige Wille liegt in seiner vollendeten äusseren Bethätigung zu Tage, und nur ein Mangel richtiger Grundsätze oder folgerichtigen Denkens kann es erklären, wenn wir hier allerseits entgegengesetzten Ansichten, höchst auffallenden Schwankungen 19) und Widersprüchen begegnen, wenn man namentlich, anstatt in allen solchen Fällen auf ganz gleiche Weise zu strafen, bald gar nicht, bald nur im einen oder im andern Fall strafen wollte, jedoch höchstens wegen sogenannten beendeten Versuchs, in den man sich die Freiheit nahm das perfectum delictum der Römer zu übersetzen.

Ebenso fordern die richtigen Grundsätze, dass lediglich auf die Absicht gesehen werde, wenn ohne Wissen des Thäters der beabsichtigte Erfolg durch sein rechtswidriges Verhalten, z. B. durch Nichtunterbinden der Nabelschnur, entweder bereits herbeigeführt war, als er eine darauf hin gerichtete weitere Handlung vornahm, z. B. das neugeborene Kind ins Wasser warf, oder wenn umgekehrt erst diese weitere Handlung den Erfolg herbeiführte, den der Thäter schon früher bewirkt zu haben glaubte.

In diesen Fällen, wo man in der gesuchtesten Weise ein

weise ein Rückfall in die von Bauer selbst bekämpfte Uebertreibung der Bedeutung des Objectiven als solchen, und eine Abschwächung seiner eigenen sehr treffenden Gründe gegen die Straflosigkeit der (physisch) untauglichen Versuchhandlungen.

19) So hat Mittermaier über die Strafbarkeit des Versuchs mit untauglichen Mitteln dreimal seine Meinung gewechselt.

Zusammentreffen einer culposen und einer dolosen Handlung hat entdecken wollen, ebenso in unzähligen ähnlichen Fällen, hören alle Schwierigkeiten, somit alle müssigen spitzfindigen Deutungen, von selbst auf sobald die Gesetzgebung ganz einfach sich an den vollständig bethätigten dolus hält, anstatt sich in dem Labyrinth einer endlosen Casuistik zu verlieren; sonach ist damit ohne Frage ein entschiedener Fortschritt gethan.

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Durch alles bisher Ausgeführte wird wohl jeder Zweifel daran beseitigt sein, dass ein, sei es glücklicher oder unglücklicher, Zufall, der irgend einen nicht beabsichtigten Erfolg herbeigeführt hat z. B. im Fall einer Verwechslung der Person oder Sache, im Fall einer Anstiftung, Vergiftung, Brandstiftung, Tödtung niemals an dem verbrecherischen Charakter der Handlung das Geringste ändern, m. a. W. diese nie zu einem andern Verbrechen machen kann; dass demnach z. B. ein sog. per aberrationem begangenes Verbrechen ein Widerspruch im Beisatz ist.

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Dieser grundsätzlich unbestreitbaren Wahrheit, die man heute fast ganz aus dem Auge verloren hat, muss man sich vor allen Dingen wieder voll bewusst werden und alle damit streitenden rechtsverletzenden Forderungen, zu denen man sich in Folge dessen verirrt hat, aufgeben, z. B. die der Straflosigkeit mancher, wo nicht gar aller Fälle erfolglosen Verbrechensversuchs. Erst wenn dies erreicht ist, wird man mit Fug sich die weitere Frage vorlegen, ob und welche Gründe es vielleicht rechtfertigen, wenn man dennoch, sei es bleibend, sei es nur unter bestimmten vorübergehenden Voraussetzungen, dem guten oder schlimmen Ausgang unerlaubter Handlungen einen mehr oder minder grossen Einfluss auf die Bestrafung und deren Mass einräumt.

Die höchste Stufe der Verschuldung und Strafbarkeit ist offenbar dann, aber auch erst dann, vorhanden, wenn von Seiten des Handelnden bereits Alles geschehen ist, was ihm möglich war, um seinen verbrecherischen Zweck zu erreichen, gleichviel ob dieser in einer äusserlich sichtbaren Wirkung bestand, und ob es ihm gelang diese herbeizuführen oder nicht. Da er mehr als das Seinige dafür nicht thun kann, und alles Weitere, was für den Erfolg bedingend ist, von

R. Röder.

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