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Schwerer noch als an dem Schicksalsfluche
Den die Blutschuld wälzte auf sein Haupt,
Leidet er, seit Ada ihm geraubt.

Unnüß scheint es ihm, daß er sie suche,
Denn vom Vater hofft er keinen Segen,
Und von Ada's Bruder keine Schonung,
Führte ihn der Zufall auf den Wegen
Glücklich auch zu der Geliebten Wohnung.

Einen Abgrund sieht er aufgethan
Zwischen sich und seinem Heiligthume -
Hoch am Abgrund wächst des Glückes Blume,
Doch nach oben führt ihn keine Bahn,
Nirgends winkt ihm einer Hoffnung Schimmer.
Und er darf dem Heiligthum nicht nahn,
Denn, wie er den ersten Schritt gethan,

Schließt sich hinter ihm der Schlund auf immer . .

Gilfter Gesang.

Durst und Hunger.

Langsam nieder von den Felsen steigt er,
Schwankend wie ein Trunk'ner in der Wildniß.
Lange ziellos durch's Gebirge streicht er
Ueberall schwebt vor ihm Ada's Bildniß!
In den Rasen hat er sich gelegt;
Müde war er, doch zu aufgeregt

Von den Schicksalsschlägen, die ihn trafen.
Wachen konnt' er nicht, und auch nicht schlafen.
Und so lag er träumend, halb bewußtlos,
Immer noch durchflammt es seine Glieder
Und ein schwerer Seufzer hin und wieder
Rang sich aus der wildbewegten Brust los ...

In dem Strahl der Sonne tanzen Mücken
Und umschwirren stechend sein Gesicht,
Und, so viel er schlägt: er kann sich nicht
Wehren vor der kleinen Thiere Tücken!

Kleine Mücken, gottgesandte Mücken!

Stecht ihn, weckt ihn aus dem dumpfen Brüten,
Hütet ihn, der sich nicht selbst kann hüten:
Ihm zum Segen werden eure Tücken!

Kleine Mücken, kluge Wetterthiere!
Laßt sein Schlagen euch nicht unterbrechen,
Fahret fort, den müden Mann zu stechen,
Daß er sich in Wahnsinn nicht verliere!

Wie sich stets der Mücken Schwärme mehren,
Und er kann sich ihrer nicht erwehren,
Springt er auf von seiner Lagerstätte
Aber kaum trägt ihn der Fuß noch fort,
Denn so schwer und schwül ist ihm, als hätte
Ihm die Sonne Seel' und Leib verdorrt.

Jezt erst fühlte er der Sonne Strahl,
Die schon glüht' in voller Mittagshelle
Und des Hungers und des Durstes Qual ...
Und er ging zur nahen Bergesquelle,
Hielt sich an den Zweigen, an den langen,
Die vom Ahornbaume niederhingen :
Gierig schlürft' er aus der frischen Welle,
Legt' sich nieder an der kühlen Stelle.
Links aus dem Gesteine krochen Schlangen,
Wanden sich in fettig - bunten Ringen.

Ueber ihm verscheuchte Vögel schwangen
Durch's Gebüsch ihr rauschendes Gefieder,
Lugten spähend aus der Höhe nieder.
Hopfen, Epheu, wilde Reben schwanken
Rings um alte Eichen, Ulmen, Buchen,
Klettern hoch bis in die höchsten Bäume,
Werfen weitum ihre langen Ranken,
Die von Baum zu Baum einander suchen,
Grüne Neze schlingend durch die Räume.

Jezt erst, da die Quelle ihn gekühlt,
Hamsad ganz die Qual des Hungers fühlt;
Und er geht mit trauriger Geberde,
Um zu spähen wo ihm Nahrung werde.
Denn dem Baum, der an der Scholle klebt,
Giebt die Scholle das, wovon er lebt:
Doch der Mensch, den keine Scholle bindet,
Muß in Mühe suchen, eh' er's findet.

Zwölfter Gesang.

Emir Hamsað und Derwisch Muhammed.

Wie er fürbaß schreitet auf den Wegen,
Hört er's unten in der Schlucht sich regen,
Schallt es wie Gestampf von Rosseshufen,
Dann wie Blöken einer Rinderheerde,
Und dazwischen hört er Stimmen rufen.
Hamsad eilt dem fernen Schall entgegen,
Um zu sehen, ob ihm Hülfe werde.

Bald, wie er vom Walde abwärts steigt,
Hat er einen freien Plaß erreicht,

Wo er, durch Gebüsch verborgen, sieht
Wie ein langer Zug vorüberzieht
Fetter Rinder, lastbeladner Pferde.
Und es führt den Zug ein dürrer Mann,
Seltsam von Gewand und von Geberde.

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