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Doch greift er in die goldnen Saiten,
Daß laut die Wölbung widerklingt;
Statt mit den Wogen wild zu streiten,
Er sanft die zarten Töne singt.

Es klang sein Lied durch alle Tiefen,
Die Wogen wurden sanft bewegt,
In Abgrunds Schlüften, wo sie schliefen,
Die Seegethiere aufgeregt.

Aus allen Tiefen blaue Wunder,
Die hüpfend um den Sänger ziehn,
Die Meeresfläche weit hinunter
Beschwimmen die Tritonen grün.

Arion sieht mit trunknen Blicken
Lautsingend in das Seegewühl:
Er fährt auf eines Delphins Rücken,
Schlägt lächelnd in sein Saitenspiel.

Der Fisch, zu Diensten ihm gezwungen,
Naht schon mit ihm der Felsenbank;
Arion hat den Fels errungen

Und singt dem Fährmann seinen Dank.

Am Ufer kniet er, dankt den Göttern,
Daß er entkam dem nassen Tod.

Der Sänger triumphirt in Wettern,

Ihn rührt Gefahr nicht an und Tod.

Tied.

Denselben Stoff finden wir auch von einem andern

deutschen Dichter behandelt.

Arion.

Arion war der Töne Meister,
Die Cyther lebt in seiner Hand,
Damit ergögt er alle Geister,
Und gern empfing ihn jedes Land.
Er schiffte goldbeladen

Jeht von Tarent's Gestaden,
Zur schönen Hellas hingewandt.

3um Freunde zieht ihn sein Verlangen,
Ihn liebt der Herrscher von Korinth.
Eh in die Fremd' er ausgegangen,
Bat er ihn, brüderlich gesinnt:

„Laß dir's in meinen Hallen
Doch ruhig wohlgefallen!

Viel kann verlieren, wer gewinnt."

Arion sprach: „Ein wandernd Leben
Gefällt der freien Dichterbrust.

Die Kunst, die mir ein Gott gegeben,
Sie sei auch vieler Tausend Lust.
An wohlerworb’nen Gaben

Wie werd' ich mich einst laben,

Des weiten Ruhmes froh bewußt!"

Er steht im Schiff am zweiten Morgen,
Die Lüfte wehen lind und warm;
Periander, eitle Sorgen!

Vergiß sie nun in meinem Arm;
Wir wollen mit Geschenken

Die Götter reich bedenken,

Und jubeln in der Gäste Schwarm.“

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„Nein, nein, wir lassen dich nicht wandern,
Du wärst ein zu gefährlich Haupt.
Wo blieben wir vor Periandern,
Berriethst du, daß wir dich beraubt?

Uns kann dein Geld nicht frommen,
Wann wieder heimzukommen

Uns nimmermehr die Furcht erlaubt."

Gewährt mir denn noch eine Bitte,
Gilt mich zu retten, kein Vertrag;
Daß ich nach Cytherspieler Sitte,
Wie ich gelebet, sterben mag.

Wenn ich mein Lied gesungen,
Die Saiten ausgeklungen,
Dann fahre hin des Lebens Tag.

Die Bitte kann sie nicht beschämen,
Sie denken nur an den Gewinn,
Doch solchen Sänger zu vernehmen,
Das reizet ihren wilden Sinn.

Und wollt ihr ruhig lauschen,

Laßt mich die Kleider tauschen;

Im Schmuck nur reißt Apoll mich hin.“

Der Jüngling hüllt die schönen Glieder
In Gold und Purpur wunderbar.
Bis auf die Sohlen wallt hernieder
Ein leichter, faltiger Talar;

Die Arme zieren Spangen,

Um Hals und Stirn und Wangen
Fliegt duftend das bekränzte Haar.

Die Cyther ruht in seiner Linken,
Die Rechte hält das Elfenbein;
Er scheint erquickt die Luft zu trinken,
Er strahlt im Morgensonnenschein.
Es staunt der Schiffer Bande;
Er schreitet vor zum Rande
Und sieht in's blaue Meer hinein.

Er fang: Gefährtin meiner Stimme!
Komm, folge mir in's Schattenreich!
Ob auch der Höllenhund ergrimme,
Die Macht der Hölle zähmt ihn gleich.
Elysiums Heroen

Dem dunkeln Strom entflohen!
Ihr Friedlichen, schon grüß' ich euch!

Doch könnt ihr mich des Grams entbinden?

Ich lasse meinen Freund*) zurück.
Du gingst, Eurydicen zu finden,
Der Hades barg dein süßes Glück.

*) Orpheus.

Da wie ein Traum zerronnen, Was dir dein Lied gewonnen, Verfluchtest du der Sonne Blick.

Ich muß hinab, ich will nicht zagen!
Die Götter schauen aus der Höh';
Die ihr mich wehrlos habt erschlagen,
Erblaffet, wenn ich untergeh';

Den Gast, zu euch gebettet,
Ihr Nereiden rettet!"

So sprang er in die dunkle See.

Ihn decken alsobald die Wogen,
Die sichern Schiffer segeln fort.
Delphine waren nachgezogen,
Als lockte sie ein Zauberwort.

Eh' Fluten ihn ersticken,

Beut einer ihm den Rücken,

Und trägt ihn sorgsam hin zum Port.

„Leb' wohl, und könnt' ich dich belohnen, Du treuer, freundlicher Delphin!

Du kannst nur hier, ich dort nur wohnen;
Gemeinschaft ist uns nicht verlieh'n.

Dich wird auf feuchten Spiegeln
Noch Galatea zügeln,

Du wirst sie stolz und heilig zieh'n.“

Arion eilt nun leicht von hinnen,

Wie einst er in die Fremde fuhr;
Schon glänzen ihm Korinthus Zinnen,
Er wandelt singend durch die Flur.
Mit Lieb' und Lust geboren,
Vergißt er, was verloren,

Bleibt ihm der Freund, die Cyther nur.

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