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Geses nicht haben, und doch von Natur thun des Gefeßes Werk, dieselbigen, weil sie das Geseß nicht haben, sind sie ihnen selbst ein Geses; damit, daß sie beweisen, des Gesezes Werk sei beschrieben in ihren Herzen, sintemal ihr Gewissen sie bezeuget, dazu auch die Gedanken, die sich unter einander verklagen oder entschuldigen." Das Evangelium aber ist ein Geheimniß, das von der Welt her verborgen gewesen ist. Róm. 16, 25.

† 3. Welches ist der andere Unterschied zwischen dem Gesetz und dem Evangelium?

Zweitens unterscheiden sie sich durch den Inhalt: denn das Gesez hat es mit Geboten zu thun, und lehret, wie wir sein, was wir thun, und was wir unterlassen sollen, 5 Mos. 6, 5. Das Evangelium aber gehet mit lauter Verheißungen der Gnade um. Joh. 3, 16.

† 4. Gieb doch den dritten Unterschied zwischen dem Gefeß und dem Evangelium an?

Drittens unterscheiden sie sich durch die Form der Verheißungen. Denn die Verheißungen des Gesezes vergelten nach Verdienst, wo zwischen Arbeit und Lohn ein gerechtes Verhältniß ist. Aber die Verheißungen des Evangeliums find eitel Gnade, so daß auf unsere Werke nicht im geringsten Rücksicht genommen wird. Róm. 4, 4.5. Melanchth. in den Artt.

5. Nenne den vierten Unterschied ?

Viertens unterscheiden sie sich durch den Gegenstand. Denn das Gesetz bezieht sich auf sichere, freche, epicurische, heuchlerische Menschen, wie auch auf den alten Adam, sofern er noch in den Wiedergebornen die Herrschaft erstrebt, 1 Timoth. 1, 9. Gal. 5, 17. Das Evangelium aber bezieht sich auf solche, die zerknirscht und durch das Gefühl und die Furcht des göttlichen Zorns niedergedrückt find, oder auf die Armen am Geist. Jef. 61, 1. Luc. 4, 18.

6. Nenne den fünften Unterschied?

Fünftens unterscheiden sie sich durch die Wirkungen: denn das Gesez klagt an, schrecket, wirket Zorn und Verdammniß, Röm. 4, 15.,,Das Evangelium aber ist eine Kraft Gottes, die da selig macht alle, die daran glauben." Rom. 1, 16.

7. Weber welchen Unterschied vorzüglich wird heut' zu Tage gestritten?

Ueber diesen legten Unterschied, oder, was dasselbe ist, über die Erklärung des eigentlich so genannten Evangeliums, erhoben in

frühern Jahren die Antinomer Streit, indem sie behaupteten, daß das Evangelium eigentlich sei nicht nur die Lehre von der Gnade Gottes, sondern, daß es auch zugleich sei die Predigt von der Buße, welche die Sünde des Unglaubens strafe. S. Conc. Form. Summ. Begr. Art. 5. S. 829.830. Erkl. Art. 5. S. 978.

8. Auf diese Weise scheinest du die Apologie der Augsb. Confession eines Irrthums zu beschuldigen, welche im 12. Art. deutlich behauptet, daß die Summe der Predigt des Evangeliums sei, Sünde zu strafeu und Vergebung der Sünde anzubieten?

Nicht allein die Apologie der Augsb. Confess., sondern auch selbst der sel. Luther und andere rechtgläubige Theologen haben also geschrieben und gelehret, aber in einem ganz andern und verschiedenen Sinn, als nachher die Antinomer diese Redensarten gebrauchten. Denn die Apologie und andere brauchen das Wort ,,Evangelium" im Allgemeinen für die ganze christliche Lehre; nicht aber im besondern Sinne, wie es die Antinomer faßten. Conc. Form. Erkl. S. 977.

*9. Ich sehe, daß die Entscheidung dieses Streites aus der Doppelsinnigkeit der Worte zu nehmen ist: bitte, du wollest ste deshalb erklären?

Es begegnet uns eine zwiefache Doppelsinnigkeit: die eine ist die des Wortes,,Evangelium;" die andere die des Wortes,,Buße." Das Wort Evangelium nämlich wird sowohl in der heil. Schrift, als auch in den Schriften der Alten und Neuern auf zweierlei Weise gebraucht und gefaßt: denn erstens bezeichnet es die ganze Lehre Christi, welche er während seines Amtes auf dieser Erde vorgeleget, und im Neuen Bunde vorzutragen befohlen hat, und welche des Gesezes Erklärung und die Verkündigung der Gnade Gottes umfaßt. S. Conc. Form. Summ. Begr. Art. 5. S. 830. Erkl. Art. 5. S. 978.

So wird es Marc. 1, 1 genommen:,,Dies ist der Anfang des Evangelii von Jesu Christo, dem Sohne Gottes." V. 4: „Johannes war in der Wüste, taufte und predigte von der Taufe der Buße, zur Vergebung der Sünden." Marc. 16, 15: ,,Prediget das Evangelium aller Creatur."

Zweitens aber wird das Wort Evangelium in einer andern, und zwar seiner eigentlichsten Bedeutung gebraucht, sofern es dem Geseze gerade entgegengesezt wird: und bezeichnet die frohe Botschaft von der gnädigen Vergebung der Sünden um Christi willen. Und in dieser Rücksicht unterscheidet Christus selbst diese

zwei Lehrgattungen von einander, wenn er Marci 1, 15 spricht: „Chut Buße und glaubet an das Evangelium.“

*10. Gieb nun die Beziehung dieses Unterschiedes auf den vorliegenden Streit an?

Wenn das Wort,, Evangelium" im weiteren Sinne, und ohne den Unterschied des Gefeßes und Evangeliums, von der ganzen Lehre Christi genommen und gebraucht wird, so ist die Erklärung des Evangeliums, daß es sei die Predigt von der Buße und Vergebung der Sünden, wahr, wenn aber Geseß und Evangelium, so wie Moses selbst, als Lehrer des Gesezes, und Christus, als Lehrer des Evangeliums, unter sich verglichen werden, und so das Evangelium in seiner besondern Bedeutung gebraucht wird: dann ist das Evangelium nicht die Predigt von der Buße, welche die Sünden straft, sondern ist eigentlich nichts Anderes, als die fröhlichste Botschaft und Predigt voll Trostes, welche nicht strafet oder schrecket, sondern die Gewissen gegen die Schrecken des Gesezes tröstet, sie zu dem alleinigen Verdienst Christi aufblicken läßt, und mit der süßesten Verkündigung der Gnade und Huld Gottes, welche durch das Verdienst Christi erlangt ist, sie wiederum aufrichtet. Melanchth. in den Artt.

* 11. Auf wie vielerlei Weise wird das Wort „Buße“ in der heiligen Schrift gebraucht?

Das Wort,,Buße" hat in der heil. Schrift nicht immer eine und dieselbe Bedeutung. Denn an einigen Stellen der Schrift wird es für die ganze Bekehrung des Menschen zu Gott genommen, als, wenn Christus sagt Luc. 13, 3: „So ihr nicht Buße thut, werdet ihr alle auch also umkommen.“

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Luc. 15, 7. Es wird Freude im Himmel sein über Einen Sunder, der Buße thut."

Matth. 3, 2. „Thut Buße, denn das Himmelreich ist nahe.“

Luc. 3, 8.,,Thut rechtschaffeue Früchte der Buße."

2 Petr. 3, 9. „Gott will nicht, daß Jemand verloren werde, sons dern daß sich jedermann zur Buße kehre.“

Dann aber wird es in andern Stellen der Schrift nur theilweise genommen, und bezeichnet nur einen Theil der Bekehrung, nämlich wahre Reue und Leid, oder die ernstliche Erkenntniß der Sünden. Conc. Form. Erkl. Art. 5. S. 980.

* 12. Wie kann ich wissen, wo das Wort „Buße“ allgemein, oder theilweise genommen wird?

Theilweise wird es dann genommen, wenn Buße und Glaube, oder Buße und Vergebung der Sünden verbunden stehen, wo

„Buße thun“ nichts Anderes bezeichnet, als die Sünden wahrhaft erkennen, ernstlich Leid tragen, und künftighin von den Sünden abstehen, Marc. 1, 15: „Thut Buße und glaubet an das Evangelium." Luc. 24, 47:,,Er muß predigen lassen —— Buße und Vergebung der Sünden." Apost. Gesch. 20, 21:,,Ich habe bezeuget die Buße zu Gott und den Glauben an unsern Herrn Jesum Christum.“

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13. Gieb die Beziehung auch dieser Unterscheidung auf den gegenwärtigen Streit an ?

Wenn das Wort Buße" im ersteren Sinne genommen wird, so bezieht es sich auf die Lehre des Gesetzes und Evangeliums zugleich aber in verschiedener Rücksicht.

Im lehteren Sinne aber bezieht es sich allein auf das Geset: durch welches allein Erkenntniß der Sünden kommt. Rim. 3, 20. Conc. Form. a. a. D.

*14. Kann denn auch das Gefeß den Unglauben strafen, von welchem es doch nichts weiß?

Ja freilich; denn das Gefeß straft den Unglauben, sofern es jeden Zweifel oder Mißtraun an irgend einem Worte Gottes, also auch am Wort des Evangeliums straft, anklagt und verdammt. Conc. Form. Erkl. Art. 5. S. 984.

Zwölfter Artikel.

Von der Rechtfertigung des Sünders vor Gott.

1. Was bezeichnet in diesem Artikel das Wort ,,Rechtfertigen?"

Es heißet nichts Anderes, als freisprechen von den Sünden und den ewigen Strafen der Sünden, oder gerecht erklären. In welchem Sinne dieses Wort hie und da in der heiligen Schrift genommen wird.

Sprůch w. 17, 15. ,,Wer den Gottlosen gerecht spricht, und den

Gerechten verdammet, die sind beide dem Herrn ein Greuel.“ Jes. 5, 23. ,,Wehe denen, die den Gottlosen gerecht sprechen um Geschenke willen, und die Gerechtigkeit der Gerechten von ihnen nehmen."

1

Rim, 8, 33.,,er will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gott ist hier, der gerecht spricht," d. h. welcher von den Sünden loss spricht.

S. Conc. Form. Summ. Begr. Art. 2. S.822. Erkl. Art. 3. 6.945.

2. Wie erklärest du die Rechtfertigung des Menschen vor Gott?

Die Rechtfertigung ist das Werk Gottes, durch welches er den Sünder, welcher an Christum glaubt, aus bloßer Gnade oder umsonst von den Sünden freispricht, demselben Vergebung der Sünden schenkt, und die Gerechtigkeit Christi ihm so zurechnet, daß er völlig versöhnt und, in die Kindschaft aufgenommen, von der Schuld und Strafe der Sünde befreit ist, und die ewige Seligkeit erlangt.

3. In wie viel Stücken nun wird unsere Rechtfertigung vor Gott vollbracht?

In zweien: von denen das eine ist das privative (wegnehmende). Gott nämlich nimmt das hinweg, was in uns ist, d. i. er vergiebt die Sünden aus bloßer Gnade, ohne irgend eine Rücksicht auf unsere Werke. Das andere ist das positive (ge= bende), indem Gott das giebt, was nicht in uns ist, oder uns nicht anklebet: d. i. er rechnet uns zu die Gerechtigkeit des Gehorsams Christi. Diese beiden Stücke werden in der heil. Schrift Róm. 4 mit dem Einen Worte Burechnung" ausgedrückt, weshalb unsere Gerechtigkeit auch die zugerechnete heißt.

4. Um dies deutlicher zu verstehen, möchte ich wissen, wie viele und welche Ursachen unserer Rechtfertigung du festsegest?

Es giebt drei Ursachen unserer Rechtfertigung: 1) die Gnade Gottes; 2) das Verdienst Christi; 3) der Glaube, welcher diese Wohlthaten Gottes in der Verheißung des Evangeliums ergreift. Conc. Form. Erkl. Art. 3. S. 948.

† 5. Was verstehst du unter der Gnade Gottes?

Nicht einen eingegossenen Zustand der Liebe, wie die Katholischen träumen, sondern die freiwillige und wahrhaft väterliche Huld göttlicher Barmherzigkeit, und die unendliche Liebe Gottes, durch welche er, durchaus nicht von unserem Verdienst bewogen, sich unser zu erbarmen angetrieben worden ist, und beschlossen

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