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Wallenstein.

Ein dramatisches Gedicht

von

Johann Chrisief, Fridrich

Schiller.

Schulausgabe

mit Anmerkungen von Professor Dr. J. W. Schaefer in Bremen.

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FEB 6 .901

LIBRARY

Minot fund.

Druck der Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart.

Einleitung.

1. Entstehung. Seit der Entstehung des Don Karlos waren Schillers poetische Pläne auf längere Zeit in den Hintergrund ge= treten. Geschichte und Philosophie schienen seinen Geist völlig zu beherrschen. Indes zieht sich durch diese arbeitvollen Jahre, in denen, zum Nachteil seiner körperlichen Kräfte, sein Geist sich wunderbar rasch erweiterte, ein poetischer Faden, der zu den Meisterwerken, welche des Dichters lezte Lebensjahre zu seiner Glanzzeit machen sollten, hinüberleitet. Die Geschichte wird unter seinen Händen zu einem dramatischen Gemälde, die philosophische Betrachtung verweilt bei den Untersuchungen der Grundsäße des dichterischen Schaffens, bei den höchsten Ideen des Ästhetisch-Schönen, und dazwischen drängen fich epische und dramatische Entwürfe auf, bis sie zuletzt mit dem Plan zum Wallenstein eine feste Gestalt gewinnen.

Mit diesem reichhaltigen Stoff war er nicht allein durch seine Bearbeitung der Geschichte des dreißigjährigen Krieges vertraut geworden, weshalb ihn auch eine Zeitlang die Heldengestalt Gustav Adolfs als Mittelpunkt einer epischen Dichtung beschäftigen konnte; auch die gleichzeitigen Ereignisse in Frankreich rüdten ihm jene kriegerische Bühne wieder näher, und Dumouriez' mißlungener Versuch, die ihm anvertraute Armee zum Feinde hinüberzuführen und die jakobinische Herrschaft in Paris zu stürzen, mußte zu einer Zeit, wo Schiller noch den Vorgängen in Frankreich eine lebhafte Teilnahme zuwandte, sein dramatisches Interesse mächtig anregen. So weisen denn auch die ersten Andeutungen eines Entwurfs zum Wallenstein auf das Jahr 1793 hin. Allein nicht nur die gehäuften Anstrengungen seiner Thätigkeit, welche die Herausgabe der Horen und demnächst eines Musenalmanachs ihm auferlegte, sondern auch das Mißtrauen in seine Kräfte, das durch die Strenge, mit der er seine früheren dramatischen Werke beurteilte, und die hohen Anforderungen, die er an die neue Dichtung machte, immer von neuem

erregt ward, hielten ihn noch längere Zeit ab, das Werk ernstlich in Angriff zu nehmen. „Bei dieser Arbeit," schreibt er an seinen Freund Körner (1794), „ist mir ordentlich angst und bange; denn ich glaube mit jedem Tage mehr zu finden, daß ich eigentlich nichts weniger vorstellen kann als einen Dichter, und daß höchstens da, wo ich philosophieren will, der poetische Geist mich überrascht. Was soll ich thun? Ich wage an diese Unternehmung sieben bis acht Monate meines Lebens, das ich Ursache habe sehr zu Rate zu halten, und sete mich der Gefahr aus, ein verunglücktes Produkt zu erzeugen. Was ich je im Dramatischen zur Welt gebracht, ist nicht sehr geschickt, mir Mut zu machen, und ein Machwerk wie Don Karlos ekelt mich nunmehr an Im eigentlichen Sinne des Worts betrete ich eine mir ganz unbekannte, wenigstens unversuchte Bahn; denn im Poetischen habe ich seit drei, vier Jahren einen völlig neuen Menschen angezogen." Dazwischen trat auch wiederholt die Versuchung nahe, den ihn minder fesselnden Stoff mit einem romantischen zu vertauschen, wozu der Plan einer Tragödie „Die Malteser“ zur Hand war, oder sich in epischer Poesie zu versuchen. Leßteres widerriet ihm Wilhelm von Humboldt mit den treffenden Worten: „Verglichen mit der dramatischen halte ich die epische Poesie nicht so fähig, Ihre ganze Stärke zu entwickeln. An sich braucht das eigent= lich Epische überhaupt, nicht aber die große Epopöe, eine leichtere, lachendere, mehr malende Phantasie, als Ihnen in Vergleichung mit der Tiefe der Ihrigen eigen scheint. Gewiß würden Sie auch hierin mit großer Würde auftreten, aber Sie würden eine Ihnen selbst nachteilige Wahl treffen.“ Schiller entschied sich endlich für den Wallen= stein, äußert aber noch im Oktober 1796, er gehe noch darum herum und warte auf eine mächtige Hand, die ihn hineinwerfe. Lange widerstrebte ihm noch „der wahrhaft undankbare und unpoetische Stoff", der ihm nicht ganz „parieren“ wolle. An Goethe schreibt er unterm 28. November: „Mit dem Wallenstein geht es zwar jet noch sehr langsam, weil ich noch immer das meiste mit dem rohen Stoff zu thun habe, der noch nicht ganz beisammen ist, aber ich fühle mich ihm noch immer gewachsen, und in die Form habe ich manchen hellen, bestimmten Blick gethan . . . . In Rücksicht auf den Geist, in welchem ich arbeite, werden Sie wahrscheinlich mit mir zufrieden sein. Es will mir ganz gut gelingen, meinen Stoff außer mir zu halten und nur den Gegenstand zu geben." Seitdem kann er jedoch vom raschen Vorrücken der Arbeit melden, indes er daneben

fleißig die Tragödien des Sophokles und des Shakespeare liest und über die Behandlung der Schicksalsidee, sowie über den Unterschied der epischen und dramatischen Behandlung mit seinen Freunden philosophische Untersuchungen anstellt. Troß der beim Don Karlos gemachten Erfahrungen wurde auffallenderweise die Bearbeitung in Prosa begonnen; indes machten sich bald die höheren dichterischen Anforderungen auch hier geltend, wie denn auch Goethe mit dem Ausspruche beistimmte, ein dramatisches Werk als selbständige Dichtung müsse durchaus rhythmisch sein. Rasch wurde daher die Umarbeitung des Vorhandenen vorgenommen, und freudig fühlte der Dichter bald den Gewinn. „Seitdem ich meine prosaische Sprache in eine poetisch-rhythmische verwandle, befinde ich mich unter einer ganz andern Gerichtsbarkeit als vorher; selbst viele Motive, die in der prosaischen Ausführung recht gut am Plaze zu stehen schienen, kann ich jest nicht mehr brauchen.“

Damals hoffte er noch, den Stoff in fünf Akte zusammendrängen zu können; allein die Ausführung breitete sich unter seinen Händen weiter und weiter aus. Zunächst trennte er (im Sommer 1797) „das Lager" (anfangs die „Wallensteiner") als Vorspiel ab; endlich aber mußte er Goethes Rat, einen Cyklus von Stücken daraus zu machen, als richtig anerkennen. Allmählich gliederte sich das Stück zu der jezigen Form; doch wurde „das Lager“ noch nachträglich fast um die Hälfte vermehrt, um unabhängig als besonderes Stück aufgeführt werden zu können; die Kapuzinerpredigt wurde noch kurz vor der ersten Aufführung, welche am 12. Oktober 1798 zur Einweihung des neuen Theaterbaues in Weimar stattfand, eingeschoben. Die Vollendung der beiden übrigen Teile beschäftigte den Dichter den Winter über, so daß „Die Piccolomini" am 30. Januar 1799 zur Feier des Geburtstags der Herzogin und „Wallensteins Tod" am 20. April auf der Weimarer Bühne zur Aufführung gelangten. Anfangs gehörten die beiden ersten Akte der lezten Abteilung bis zu der Szene, wo Isolani und Buttler für die Sache des Kaisers gewonnen werden, noch der zweiten an. Obgleich dadurch der Dichter zu vielen Kürzungen gezwungen ward, so ist doch dadurch die Wirkung des legten, die Tragödie völlig abschließenden Teils ungemein verstärkt worden. Ungeachtet der hohen Schönheit der „Piccolomini“ mußte dieser Teil, der sich jezt zu dem Ganzen nur als die Expofition der umfangreichen Handlung verhält, in der Bühnendarstellung von geringerer Wirkung sein, zumal da die Heldengestalt des Wallenstein

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