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faß des chemischen Processes. Es ist uns wohlbekannt, daß man Rittern diese Lehre zucigenen will; auch wollen wir nicht leugnen, daß er sie sehr frühe vortrug — aber, erstens ist es eben so entschieden, daß die Naturphilosophie, wie sie sich bei Schelling gestaltete, ohne die Lehre von dem elektriz schen Typus des chemischen Processes unmöglich gewesen wåre. Man müßte also behaupten, daß Schelling die erste Idee seiner Naturphilosophie Rittern verdankte; was offenbar einem Jedem, der das Verhältniß dieser Männer zu einander kannte; thöricht erscheinen muß. Ich darf schon deßwegen um so entscheidender redeh, weil ich eben in der Zeit der ersten Anregung in vertrautem Verhältniß mit beiden Männern lebte, weil ich Theil nahm an der lebendigen Begeisterung, die von der Idee, die Natur nicht blos äußerlich, sondern auch geistig zu fassen, auss ging und die auch Ritter, wenn gleich auf eine höchst eigenthümliche Weise, ergriffen hatte. Wohl hatte Rits ter, wie mehrere frühere Naturforscher, zu derselben Zeit durch mehrere Erscheinungen veranlaßt, einen Einfluß der Elektricität auf mehrere chemische Proceffe, wie auf die Fällung eines Metalls durch ein anderes in metallischem Zustande angenommen; aber die Lehre, durch welche die Elektricität als der Typus aller chemischen Verwandtschafs ten anerkannt wird, in ihrer größten Allgemeinheit, war ein Product der Naturphilosophie, und konnte zu der Zeit, vor der Entdeckung der Voltaischen Batterie, nur von ihrem Standpunct aus, ausgesprochen werden. Zweitens war Ritters Ansicht sehr verschieden von derjenigen, die von der Naturphilosophie angenommen ward. Er nehmlich glaubte, ⚫ wie Lichtenberg früher, in dem Wasser den ponderabeln

elektrischen Spannung, die sich zwischen den Schichten der Flötzgebirge unterhält, und sich durch den beständigen Gehalt und die verschiedene und unveränderliche Temperatur der Mineralquellen kund thut, den meisten Naturforschern aufs gedrungen; wenigstens dürfen wir hoffen, daß von der Aufs lösungs und Einheißungs › Theorie nicht mehr die Rede seyn wird. Wir wollen hier nur von diesen Ansichten aus der Physik der unorganischen Natur reden, deren Einfluß entschieden ist. Leicht würde es uns seyn, viele noch zu

nennen.

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Wenn wir nun aber die Ausbildung der Physiologie in den lezten Jahren untersuchen, den erweiterten Kreis ihrer Ansichten, da wage man es doch, kühn und entschieden den Einfluß der Naturphilosophie ganz wegzudenken! Wir dür: fen behaupten, daß sie ohne diese nicht möglich wäre. Man trenne die großen Entdeckungen von Reil und vor allem von Carus über die Bedeutung der Structur des Gehirns, von ihren lebendigern Ansichten! Man erwäge Okens wirk lich unsterbliche Verdienste, die hier nicht entwickelt werden dürfen, die sich auf alle Theile der Naturgeschichte erstrecken; Entdeckungen, die die Naturbeschreibung selbst zu einer wah, ren Geschichte zu erheben versprechen, indem sie die Cons tinuität der Bildungen auf allen Puncten nachweisen, und was todtes Unterscheidungszeichen war, zur lebendigen Bez zeichnung des eigenthümlichen Daseyns steigern! Wie vieles verdankt die naturwissenschaftliche Arzneikunde, die Pflanzens physiologie Kiefern, wie vieles die Physiologie überhaupt dem Willbranden und wie viele andere könnte ich nennen, wenn dieses nicht hinlänglich wäre, um die Behauptung zu begrün den, daß eine Lehre, die die bedeutendsten Entdeckungen

theils voraus verkündigt, theils selbst begründet hat, die nach allen Richtungen die fleißigsten Forscher in Bewegung seht und anspornt, lebendig in die Naturwissenschaft unserer Tage hineingebildet, und nicht mehr abzuweisen ist.

Wenn wir aber nach einer zwanzigjährigen Erfahrung diese Gewißheit erlangt haben, dann tritt die Nothwendigs keit um desto dringender hervor, die Grundlage des ganzen Gebäudes zu untersuchen, ihre Festigkeit, ihre Unerschütter: lichkeit für alle Zeiten. Das copernicanische System, die kepplerschen Gesetze sind auf eine solche Weise auf ewig für das Geschlecht gewonnen; die ganze mechanische Physik hat eine solche feste, unerschütterliche Grundlage und, wenn wir auch das Recht der mechanischen Physiker, was sie gewonnen haben, als einen Erklärungsgrund für die gesammte Physik zu benußen, bestreiten, so müssen wir doch diesen gediegenen Grund achten; denn er ist unantastbar. Betrachten wir dahingegen die Bemühungen derer, die sich Naturphilosos phen nennen, sich eine Grundlage für das Wissen und Ers kennen zu verschaffen, so nehmen wir bald ein bedenkliches Schwanken wahr, eine willkührliche Deutung des Höchsten, die sich in einer Menge spielender Genialitäten verliert. Mit einer bloßen Annahme des Alls ist wenig gewonnen für die Wissenschaft. Es kann durch das Loßreißen der Ber trachtung von einer überlieferten Form, durch die freiere Beweglichkeit der Seele, Manches erkannt werden, was die herrschende einseitige Richtung verbarg. Es soll nicht geläugs net werden, daß dieses geschehen ist. Wunderbar reich ist der menschliche Geist und durch das bloße Zerreißen lange getragener Ketten enthüllen sich eine Menge von Ideen, erdffnen sich viele verborgene Seiten der Natur, tritt eine

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elektrischen Spannung, die sich zwischen den Schichten der Flöhgebirge unterhält, und sich durch den beständigen Gehalt und die verschiedene und unveränderliche Temperatur der Mineralquellen kund thut, den meisten Naturforschern auf: gedrungen; wenigstens dürfen wir hoffen, daß von der Aufs lösungs und Einheißungs Theorie nicht mehr die Rede seyn wird. Wir wollen hier nur von diesen Ansichten aus der Physik der unorganischen Natur reden, deren Einfluß entschieden ist. Leicht würde es uns seyn, viele noch zu

nennen.

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Wenn wir nun aber die Ausbildung der Physiologic in den lezten Jahren untersuchen, den erweiterten Kreis ihrer Ansichten, da wage man es doch, kühn und entschieden den Einfluß der Naturphilosophie ganz wegzudenken! Wir dür: fen behaupten, daß sie ohne diese nicht möglich wäre. Man trenne die großen Entdeckungen von Reil und vor allem von Carus über die Bedeutung der Structur des Gehirns, von ihren lebendigern Ansichten! Man erwäge Okens wirk; lich unsterbliche Verdienste, die hier nicht entwickelt werden dürfen, die sich auf alle Theile der Naturgeschichte erstrecken ; Entdeckungen, die die Naturbeschreibung selbst zu einer wah ren Geschichte zu erheben versprechen, indem sie die Cons tinuität der Bildungen auf allen Puncten nachweisen, und was todtes Unterscheidungszeichen war, zur lebendigen Bez zeichnung des eigenthümlichen Daseyns steigern! Wie vicles verdankt die naturwissenschaftliche Arzneikunde, die Pflanzens physiologie Kiefern, wie vieles die Physiologie überhaupt dem Willbranden und wie viele andere könnte ich nennen, wenn dieses nicht hinlänglich wäre, um die Behauptung zu begründen, daß eine Lehre, die die bedeutendsten Entdeckungen

theils voraus verkündigt, theils selbst begründet hat, die nach allen Richtungen die fleißigsten Forscher in Bewegung seht und anspornt, lebendig in die Naturwissenschaft unserer Tage hineingebildet, und nicht mehr abzuweisen ist.

Wenn wir aber nach einer zwanzigjährigen Erfahrung diese Gewißheit erlangt haben, dann tritt die Nothwendigs keit um desto dringender hervor, die Grundlage des ganzen Gebäudes zu untersuchen, ihre Festigkeit, ihre Unerschütter: lichkeit für alle Zeiten. Das copernicanische System, die kepplerschen Gesetze sind auf eine solche Weise auf ewig für das Geschlecht gewonnen; die ganze mechanische Physik hat eine solche feste, unerschütterliche Grundlage und, wenn wir auch das Recht der mechanischen Physiker, was sie gewonnen haben, als einen Erklärungsgrund für die gesammte Physik zu benußen, bestreiten, so müssen wir doch diesen gediegenen Grund achten; denn er ist unantastbar. Betrachten wir dahingegen die Bemühungen derer, die sich Naturphilosos phen nennen, sich eine Grundlage für das Wissen und Ers kennen zu verschaffen, so nehmen wir bald ein bedenkliches Schwanken wahr, eine willkührliche Deutung des Höchsten, die sich in einer Menge spielender Genialitäten verliert. Mit einer bloßen Annahme des Alls ist wenig gewonnen für die Wissenschaft. Es kann durch das Loßreißen der Ber trachtung von einer überlieferten Form, durch die freiere Beweglichkeit der Seele, Manches erkannt werden, was die herrschende einseitige Richtung verbarg. Es soll nicht gelaugs net werden, daß dieses geschehen ist. Wunderbar reich ist der menschliche Geist und durch das bloße Zerreißen lange getragener Ketten enthüllen sich eine Menge von Ideen, eröffnen sich viele verborgene Seiten der Natur, tritt eine

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